Neue Horrorzahlen
Dieses Desaster ist derzeit quasi das Leitmotiv der britischen Politik. Die britische Wirtschaft legt inzwischen nicht mehr nur die bedenklichen aktuellen Zahlen vor, sondern nennt auch offen den Grund für die Entwicklungen. So mahnen Großbritanniens Autohersteller – sie beschäftigen rund 800.000 Menschen – dringend eine Neuverhandlung mit der EU ein, sonst wäre ein Großteil dieser Arbeitsplätze akut gefährdet. „Die Industrie findet endlich ihre Stimme wieder“, meint ein Organisator eines großen Wirtschaftsforums in den kommenden Tagen. Das Hauptthema: Wirtschaftliches Überleben in Großbritannien nach dem Brexit, „in dem alles unendlich härter und bürokratischer geworden ist.“
➤Lesen Sie mehr: König Charles und die Krise
Die wirtschaftliche Krise trifft nicht nur die Unternehmer, sondern auch die britischen Bürger mitten in ihrem Alltag. Hunderte Euro an Mehrkosten hätte jeder Haushalt durch den Brexit allein für Lebensmittel aus der EU gehabt, rechnen Wirtschaftsforscher vor.
Migration steigt rasant
Was viele Brexit-Befürworter aber mindestens ebenso empört, ist, dass eines der zentralen Versprechen, mit dem Politiker wie Farage oder Ex-Premier Boris Johnson den Brexit beworben haben, hundertprozentig gebrochen wurde: Die Kontrolle über die Migration nach Großbritannien. Die Oberhoheit über die eigenen Grenzen werde man dann endlich wieder haben, meinten die Brexiteers. Aktuelle Zahlen melden eine Steigerung der Zuwanderung um 25 Prozent im Vorjahr. Zugleich aber kehren die Facharbeiter, etwa aus Mittel- und Osteuropa, die so dringend gebraucht werden, dem Land den Rücken.
Mehr Probleme als Verbesserungen
All das schlägt sich auch in den aktuellen Umfragen zu Brexit und den Folgen nieder. Gerade einmal neun Prozent der Briten halten den EU-Austritt noch für einen Erfolg. Dass er mehr Probleme als Verbesserungen geschaffen habe, meinen über 60 Prozent. Mehr als 50 Prozent sind der Ansicht, dass die Sache von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.
Doch nicht nur der Ärger über den politischen Irrweg vereint immer mehr Briten, sondern auch die Konsequenz daraus. Jeder Zweite plädiert inzwischen dafür, wieder engere Beziehungen zur EU zu suchen.
In der politischen Praxis hat der konservative Premier Rishi Sunak schon einen anderen Kurs eingeschlagen. Während Vorgänger Boris Johnson – ein Brexit-Mastermind – noch vom „globalen Großbritannien“ schwärmte, sucht Sunak die Partnerschaft europäischer Länder, etwa mit dem Nachbarn Frankreich bei der Bekämpfung der illegalen Migration.
Doch diese Kehrtwende auch offiziell einzufordern, dazu fehlt selbst noch der pro-europäischen Labour-Opposition der Mut.
Noch zögert Labour-Chef Keir Starmer, das Problem beim Namen zu nennen. Ganz anders als ein führender Vertreter des britischen Handelsministeriums: „Von der Inflation bis zur dem auf den Feldern verfaulenden Gemüse. Wir sehen die wirtschaftlichen Folgen davon, dass wir uns von unserem größten Handelspartner distanziert haben: der EU.“
Kommentare