Brexit: Pokern, drohen und proben für den Ernstfall

Brexit: Pokern, drohen und proben für den Ernstfall
Eine Woche vor dem Brexit-Votum im Londoner Unterhaus stehen die Zeichen auf Niederlage. Doch was dann?

Mancherorts kann und will man nicht mehr warten, sondern probt bereits die Katastrophe. Das britische Verkehrsministerium etwa ließ am Montag an die 100 Lkw in Richtung der Hafenstadt Dover rollen, um Stau-Strategien zu  üben. Dort, am Nadelöhr der Warenströme zwischen dem europäischen Festland und Großbritannien, droht nach dem EU-Austritt ein Verkehrskollaps: Je härter der Brexit ausfällt, desto schlimmer.
Und nach diesem harten Brexit sieht es derzeit aus, zumindest im politischen Chaos in London.  Dort, im Unterhaus,   so meinen gut informierte britische Medien, wird fix am 15. Jänner abgestimmt, über jenes EU-Austrittsabkommen, das Premierministerin Theresa May Ende des Vorjahrs mit der EU ausgehandelt hat.

Eigentlich hätte das Unterhaus darüber schon im Dezember abstimmen sollen, aber die Premierministerin wich der unausweichlichen Niederlage aus und verschob das Votum.

Alles auf „Nein“

Gebessert aber haben sich die Aussichten auf  ein „Ja“ zum Austrittsdeal kaum. Zwar gehen weiterhin  May-Vertraute an die Öffentlichkeit, um demonstrativ einen Sieg für die Premierministerin zu prognostizieren, doch außer ihnen glaubt kaum jemand an die Durchhalteparolen.
Ein Entgegenkommen der EU –  vor allem in der heiklen Frage der Grenze zwischen Nordirland und Irland – zeichnet sich vor der Abstimmung nicht mehr ab. Theresa May soll sich mit einer ersten Niederlage inzwischen abgefunden haben. Laut Medien ist sie entschlossen, weitere Abstimmungen im Unterhaus abzuhalten. Parallel dazu will man weiter mit der EU verhandeln. Je näher der EU-Austritt Ende März rückt, desto kompromissbereiter werde sich Brüssel zeigen, hofft man in der Downing Street.
Die Labour-Opposition gibt solchen Spekulationen keine Chance. Man ist sicher, den May-Deal kommende Woche zu Fall zu bringen. Der Plan von Labour-Chef Jeremy Corbyn, gleich nach der Abstimmung ein Misstrauensvotum gegen May einzubringen, diese zu stürzen und Neuwahlen zu erreichen, scheint aber ähnlich aussichtslos.

Brexit: Pokern, drohen und proben für den Ernstfall

Auch schwer unter Druck: Labour-Chef Corbyn

Vielmehr gerät Corbyn wegen seines Festhaltens am Brexit auch  in der eigenen Partei immer mehr unter Druck.

Zweite Abstimmung?

Dort fordern immer mehr Vertreter der Parteibasis ein zweites Referendum über die EU-Mitgliedschaft des Landes. Schließlich, das zeigen jüngste Umfragen, sind es vor allem Labour-Anhänger, die  inzwischen  genug vom Brexit haben. Eine zweite Abstimmung, auch das wird in Umfragen deutlich, würde gegen den Brexit ausgehen. Derzeit steht es 53 Prozent zu 47. Doch auch für diese Abstimmung braucht es eine Mehrheit im Unterhaus – und die ist im momentanen Chaos nicht in Sicht.

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