Harte Fronten
Für
Boris Johnson ging es also um weit mehr als den längst fälligen Antrittsbesuch beim Nachbarn, als er am Montag zu Gesprächen mit dem irischen Premier Leo Varadkar nach Dublin kam. Irland erwirtschaftet rund 15 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes mit Exporten in den Norden. Nordirland wiederum schickt mehr als ein Drittel seiner Exporte in die Republik Irland.
Der britische Premier weiß also, dass Irland das schwächste Glied in der derzeit noch geschlossenen Kette der EU-Staaten ist. Will er der
EU Zugeständnisse für ein neues Abkommen über den EU-Austritt abringen, braucht er Irland als Verbündeten.
Das Ziel Johnsons ist es, den sogenannten „Backstop“ aus der Welt zu schaffen, den er und mit ihm die überzeugten Anhänger eines harten Brexit zum Feindbild Nummer eins stilisiert haben.
Eigentlich ist diese Regelung – wie ja der Name schon sagt – nur eine Rückendeckung für den Fall, dass sich Großbritannien und die EU nach dem Brexit auf keine vernünftigen Beziehungen einigen können. Doch für Johnson ist sie eine Unterwanderung der britischen Souveränität. Schließlich bliebe ja
Nordirland in diesem Fall in einer Zollunion mit der Republik – und die Grenze offen.
Das müsse auch anders zu lösen sein, meint man in London. Vollautomatische Zollkontrollen, für die die Lkw an der Grenze gar nicht mehr stehen bleiben müssen, oder ein gemeinsames Regelwerk für Großbritannien und
Irland, das Kontrollen an der Grenze auch weiterhin überflüssig macht. Alles Vorschläge, mit denen der Premier am Montag in Dublin war – und dort vorerst auf Granit biss. Von weiterhin „bedeutenden Differenzen“ sprach Varadkar nach dem Treffen.
Blockadepläne
Doch wenn es Johnson auch durch Druck auf Irland nicht gelingt, die EU zu Zugeständnissen zu bewegen, muss er auf andere Weise die drohende politische Niederlage abwenden. Ohne Erfolg bei den Verhandlungen ist er gezwungen, die EU um Verschiebung des für Ende Oktober geplanten EU-Austritts zu bitten. Das aber hat der Premier am Montag erneut ausgeschlossen.
Die Flucht nach vorne in Neuwahlen droht ebenfalls versperrt zu bleiben. Auch am Montag, bei der letzten Sitzung vor dem von Johnson durchgesetzten Zwangsurlaub des Parlaments, sah es im Londoner Unterhaus nicht nach der nötigen Mehrheit für diese Neuwahl aus.
Rechtsgültig aber ist das Gesetz, das Johnson dazu zwingen soll, den Brexit entweder erfolgreich neu zu verhandeln oder zu verschieben. Doch Johnson und seine Berater basteln an Strategien, dieses Gesetz zu umgehen. Eine davon: Die EU selbst soll die Verschiebung ablehnen, einfach weil aus London keine sinnvollen Vorschläge mehr kommen.
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