Braucht die EU einen "Plan B"?

Griechenland fordert Alternativen zum Türkei-Deal – Kommission hält an dem Abkommen fest.
Braucht die EU einen "Plan B"?
Der Flüchtlingspakt bleibt weiter ein Spielball in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Nach den Drohungen aus Ankara, den Pakt aufzukündigen, meldete sich der griechische Migrationsminister zu Wort. Die EU brauche einen "Plan B", warnteYiannis Mouzalas im Bild-Interview. Die EU-Kommission wehrt sich: Man habe "einen Plan A" und der bedeute, dass der Deal erfolgreich arbeite, schmetterte eine Kommissionssprecherin die Warnung ab. Schon vor dem Abkommen habe man im Herbst 2015 Maßnahmen gesetzt, die heute umgesetzt werden. Der KURIER sah sich die Situation genauer an.

Wie groß war der Flüchtlingsstrom zuletzt und welche Routen wurden genommen?

Die meisten Einreisen 2016 fanden laut Internationaler Organisation für Migration (IOM) über das östliche Mittelmeer statt. Insgesamt kamen heuer bis Juni 162.563 Menschen über diese Route – hauptsächlich nach Griechenland. Vor allem allerdings vor der Schließung der Balkanroute und vor dem EU/Türkei-Pakt im März. Danach verschob sich die Route auf das zentrale Mittelmeer. Allerdings kommen dort vor allem Menschen aus Afrika an, während zuvor Syrer und Afghanen den Großteil der in die EU Flüchtenden ausgemacht haben.

Wie sieht es auf der Balkanroute derzeit aus?

Im Vergleich zum Vorjahr ist es ruhig auf der Balkanroute, allerdings hat seit Schließung der mazedonischen Grenzen der Menschenschmuggel stark zugenommen.

Wie voll sind die Aufnahmelager in Griechenland?

Momentan befinden sich nach Angaben der griechischen Behörden rund 58.000 Asylwerber in Griechenland. Giorgos Kyritsis vom griechischen Flüchtlingskrisenstab sieht jetzt die EU in der Verantwortung, eine Umverteilung vorzunehmen. Währenddessen plane Griechenland, ab September kleinere Lager zu eröffnen, die bessere Bedingungen für die Flüchtlinge bieten sollen. Auch Schulen für Flüchtlingskinder sind geplant.

Wie steht es um die Verteilung der Flüchtlinge?

Im Herbst 2015 hat die EU beschlossen, 160.000 Asylsuchende aus den am meisten betroffenen EU-Staaten Griechenland und Italien auf die Mitgliedstaaten zu verteilen. Bisher sind etwas mehr als 3000 Menschen auf diese Weise umgesiedelt worden. Österreich hat bisher innerhalb dieses Programmes weder aus Italien noch aus Griechenland Flüchtlinge aufgenommen, ist aber mit Deutschland und Schweden größter direkter Aufnehmer 2016. Einige Staaten erteilen dem Verteilungsschlüssel weiter eine Absage. Der tschechischen Präsidenten Milos Zeman hat sein Parlament am Dienstag aufgerufen, EU-Quoten zu ignorieren und keine Flüchtlinge aufzunehmen.

Wie viele asylberechtigte Syrer sind im Rahmen des EU/Türkei-Paktes in die EU gebracht worden?

Der 1:1-Mechanismus läuft nur schleppend an. Von April bis Juli sind auf diesem Weg rund 800 Menschen statt der angedachten 20.000 in die Europäische Union gebracht worden. Die meisten davon nach Deutschland (294), gefolgt von Schweden (254). Nach Österreich noch keine. Die Türkei nahm bisher 468 Migranten zurück.

Wie wird die EU-Grenze in Griechenland bewacht?

Derzeit sind 632 Frontex-Beamte vor Ort, vonseiten der Grenzschutzagentur heißt es, dass diese Zahl völlig ausreiche, um der Lage Herr zu werden. Allerdings hat Frontex noch vor vier Monaten um 1500 Beamte angesucht, die damals nicht gestellt werden konnten.

Muss Europa dann mit dem großen Ansturm rechnen, wenn die Türkei den Flüchtlingspakt beendet?

Ja, sagt die IOM. Das UNHCR hingegen hält sich mit Prognosen lieber zurück: "Es kommt auf viele Faktoren an", sagt die Sprecherin des UN-Flüchtlingshochkommissariats – die Lage in Syrien, Libanon, Jordanien, Türkei, Unterstützung für Hilfsorganisationen, Schlepperaktivitäten etc.

Außerdem, so sagen einige Experten, würden sich nicht so viele Flüchtlinge nach Griechenland auf den Weg machen, weil inzwischen bekannt sei, dass es über die Balkanroute kein Durchkommen gibt.

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