Der undiplomatische Top-Diplomat

Beim Rugby in Tokio lief Johnson kleine Kinder übern Haufen
Neo-Außenminister Boris Johnson brachte sich einst selbst als US-Präsident ins Spiel und vergleicht Hitler und die EU.

Jetzt ist er also Außenminister, der polarisierende Polit-Clown, der sich spätestens in den vergangenen Monaten – aber eigentlich schon bei seiner Wahl zum Londoner Bürgermeister 2008 – zur Marke gemacht hat.

Alexander Boris de Pfeffel Johnson, von vielen nur Boris oder „Bo-Jo“ genannt, ist nicht gerade für seine Diplomatie bekannt. Er verglich etwa Hitler mit der EU, kritisierte den „Halb-Kenianer“ Obama für seine angeblichen Antipathien für Großbritannien, erklärte bei den Olympischen Spielen in Peking, dass Chinesen „zwar gut in Ping Pong“ seien, das Spiel aber in England auf Esstischen erfunden worden war.

Als Außenminister wird er auch in die „Arabische Welt“ reisen müssen – wo er aber nicht nur Freunde hat. Als er etwa 2015 in Palästina war, stieß er seine Gastgeber mit starken pro-israelischen Aussagen vor den Kopf. Und sein Buch, das er 2004 geschrieben hat, wird wohl auch nicht bei allen Muslimen gut ankommen: „72 Jungfrauen“ handelt – satirisch – von einem versuchten Terroranschlag in London. Stümperhafte Selbstmordattentäter dringen ins britische Parlament ein, wo gerade der US-Präsident zu Besuch ist. Sie wollen alles in die Luft sprengen, entfachen aber zuerst einmal eine Debatte über die US-Politik, die via TV live in Millionen Haushalte gesendet wird.

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London Mayor Boris Johnson takes part in a tug of
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Vote Leave campaign leader, Boris Johnson, deliver
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London Mayoral Conservative candidate Boris Johnso
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Britain's Conservative mayoral contender Boris Joh
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Anti-EU-Schreitiraden

Der heute 52-jährige Boris Johnson wurde in New York geboren. Und hat deshalb einmal ins Spiel gebracht, dass er theoretisch sogar US-Präsident werden könnte. Er ist zum zweiten Mal verheiratet und hat vier Kinder. Nach seiner Elite-Ausbildung in Eton – sein Mitschüler war David Cameron – ging er nach Brüssel, um dort Anfang der 90-er für den konservativen Spectator die EU-Berichterstattung zu machen. Während die meisten Kollegen die EU und den damals auszuverhandelnden Maastrichter Vertrag positiv sahen, schrieb Johnson sich in einen wahnartigen EU-Hass. Laut seiner Bürokollegin machte er sich damals heiß, indem er die Zimmerpflanze anschrie.

Euroskeptiker sei er eigentlich gar nicht gewesen, sagen Bekannte. Aber mit seiner Anti-EU-Haltung hat er sich einen Namen gemacht und so parteiübergreifend Wirkung gezeigt. Das ist wohl auch das Kalkül der neuen Premierministerin Theresa May, den zerzausten Lausbuben ins Kabinett zu holen.

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