Kann der politische Altstar Tony Blair den Gordischen Knoten in Nahost zerschlagen?

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Nachdem der UN-Sicherheitsrat den Gaza-Plan von Trump absegnete, könnte jetzt die Stunde für den britischen Ex-Premier als Interimsverwalter des Küstenstreifens schlagen. Das ist nicht unumstritten.

Er spüre die Hand der Geschichte auf seiner Schulter. Das sagte der damalige britische Premier Tony Blair ein wenig pathetisch, als er das nordirische Friedensabkommen zwischen Katholiken und Protestanten verhandelte – und es am 10. April 1998 tatsächlich zu einem erfolgreichen Abschluss brachte. Nach Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen lieferte der ehrgeizige, stets um sein Vermächtnis bemühte frühere Labour-Chef mit viel Geschick sein diplomatisches Meisterstück.

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Premier Tony Blair nach der historischen Übereinkunft mit dem irischen Amtskollegen Bertie Ahern 1998

Und das Fingerspitzengefühl Blairs, zwischen Rivalen zu vermitteln,  könnte jetzt abermals gefragt sein: Als Leiter einer Übergangsverwaltung in Gaza hat ihn US-Präsident Donald Trump ins Gespräch gebracht. Doch es gibt auch teils heftigen Widerstand gegen den heute 72-Jährigen.

Was seine Kritiker ins Treffen führen? Da ist vor allem der Irakkrieg 2003 zu erwähnen. Bedingungslos an der Seite des damaligen US-Präsidenten George Bush jun. zog der britische Premierminister ins Feld – obwohl die Massenvernichtungswaffen, die Diktator Saddam Hussein angeblich besessen haben soll, nie gefunden wurden.

"Bushs Pudel"

George W. Bush mit seinem Hund Barney

George W. Bush mit seinem Hund Barney

Als „Bushs Pudel“ bezeichnete die Opposition den Regierungschef wenig schmeichelhaft. Doch der hielt Kurs – bis zu seinem Rücktritt 2007, immerhin markierte die zehnjährige Amtszeit des später geadelten Sir Anthony Charles Lynton Blair die längste eines Labour-Premiers.

Nur einen Tag nach seiner Demission in London (der frühere enge Weggefährte und spätere Rivale Gordon Brown übernahm) trat der vierfache Familienvater einen Posten an, der ihn  jetzt für den Gaza-Job prädestinieren könnte, aber – je nach Standpunkt – auch disqualifizieren: Er wurde Sondergesandte des so genannten Nahost-Quartetts, bestehend aus den USA, Russland, der EU und den Vereinten Nationen. Acht Jahre lang werkte Blair in der Region – ohne nennenswerte Fortschritte erzielt zu haben.

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Tony Blair als Emissär des "Nahost-Quartetts" mit Israels Premier Benjamin Netanjahu 2010

Mehr noch, auf arabischer Seite wurde dem Emissär vorgeworfen, die neutrale Vermittlerposition verlassen  und sich mehr auf die Seite der Israelis geschlagen zu haben. Und das wirkt bis heute nach. So meinte der Justizminister der Palästinensischen  Autonomiebehörde kürzlich: „Bei allem Respekt für Herrn Blair“, es könne aber nicht sein, dass er „unser Vormund ist, als wären wir minderjährig.“

Wobei Ressentiments gegen Briten generell tief in der Geschichte der Region verwurzelt sind. Denn 1922 erhielt das Vereinigte Königreich vom Völkerbund, der UN-Vorgänger-Organisation, das Mandat übertragen, Palästina zu verwalten (bis 1948). Sich „einer erneuten Kolonialherrschaft zu unterwerfen“, sei nicht erstrebenswert, kommentierte daher  nun der palästinensische Bürgerrechtler Mustafa Barghouti gegenüber "CNN".

Auch als Geschäftsmann sorgt der frühere britische Premier für Zweifel ob seiner möglichen Rolle als oberster Gaza-Verwalter. 2016 gründete der Ex-Regierungschef sein „Tony Blair Institute for Global Change“  (TBI) – eine Politiker-Beraterfirma, die auch Autokraten wie Ruandas Staatspräsidenten Paul Kagame (seit 1994 der starke Mann im Land) oder den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman unter ihren Fittichen hat. An die 1.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stehen im Solde Blairs, der Spenden unter anderem aus Saudi-Arabien und von Microsoft erhält.

"Trump-Riviera"

Ins Fadenkreuz der Kritik geriet das Institut, als heuer Gerüchte auftauchten, auch TBI-Leute seien an den amerikanischen Gaza-Wiederaufbau-Fantasien samt Hotel-Resorts und Gewerbeparks beteiligt gewesen – die „Trump-Riviera“ sorgte für jede Menge Aufsehen. TBI-Verantwortliche dementierten, in  der Zwischenzeit verschwanden die Pläne wieder in den Schubladen.

Und Tony Blair selbst, der als Schüler rebellisch war und später als Sänger der Rockband „Ugly Rumours“ (Hässliche Gerüchte) durch kleinere Säle fetzte? Der wäre an der neuen Tätigkeit wohl sehr interessiert, würde er sie doch als würdigen Abschluss einer durchaus erfolgreichen Politkarriere erachten.

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US-Präsident Donald Trump brachte Tony Blair als interimistischen Gaza-Verwalter ins Spiel

Dass er ein „Deal-Maker“ ist, was US-Präsident Donald Trump so wichtig ist, hat der Ex-Premier mit dem nordirischen Karfreitagsabkommen bewiesen. Dass er zielstrebig und durchsetzungsfähig ist, mit seinem Durchmarsch in den 1990er-Jahren an die Partei- und später an die Regierungsspitze. Und dass er ein Gespür für große Gesten sowie  die richtige Tonalität hat, stellte er eindrucksvoll unter Beweis: Als ganz frisch gewählter Premier rund um den Tod und die Beisetzung von Lady Di 1997 und später bei den Terroranschlägen von London 2005, als 52 Menschen und die vier islamistischen Selbstmordattentäter getötet wurden.

Diana, Queen of Hearts

Blair fand rund um Tod und Begräbnis von Lady Di 1997 die richtigen Worte

Bei allen Bedenken: Tony Blair bringt vieles mit, was man für die „Mission Impossible“ in Gaza braucht, meinen viele. Und vielleicht gelingt ihm ja ein zweiter Coup – wenn er abermals die  Hand der Geschichte auf seiner Schulter spürt. 

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