Biden: US-Bürger sollten Ukraine möglichst schnell verlassen
US-Präsident Joe Biden hat den Ton gegenüber Russland im Ukraine-Konflikt wieder verschärft. In einem Interview mit dem US-Sender NBC, rief Biden US-Bürger in der Ukraine auf, das Land "jetzt" zu verlassen.
Unterdessen starteten Russland und Belarus am Donnerstag ein Militärmanöver nahe der ukrainischen Grenze.
"Wir haben es hier mit einer der größten Armeen der Welt zu tun", sagte Biden in dem Interview mit Verweis auf die russische Truppenansammlung an der Grenze zur Ostukraine. "Das ist eine ganz andere Situation, und die Dinge könnten schnell verrückt werden." Biden warnte seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin davor, US-Bürgern Schaden zuzufügen. Er hoffe, dass wenn Putin "so töricht" sei, in die Ukraine einzumarschieren, er "klug genug ist, nichts zu tun, was sich negativ auf amerikanische Bürger auswirkt".
Die US-Regierung hatte bereits im Jänner ihren Bürgern empfohlen, die Ukraine wegen der "unvorhersehbaren" Lage selbstständig zu verlassen. Sie hatte damals auch die Abreise der Angehörigen von US-Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angeordnet und ihre Bürger vor Reisen nach Russland gewarnt.
Biden bekräftigte, dass er unter keinen Umständen US-Truppen in die Ukraine schicken würde, auch nicht zur Rettung von US-Bürgern im Falle einer russischen Invasion. Dies würde "einen Weltkrieg" auslösen, sagte er und bekräftigte: "Wenn Amerikaner und Russen anfangen, aufeinander zu schießen, befinden wir uns in einer ganz anderen Welt."
100.000 russische Soldaten an der Grenze
Russland hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Dies schürt in der Ukraine wie im Westen die Furcht vor einem möglichen Großangriff Russlands auf das Nachbarland. Russland weist jegliche Angriffspläne zurück. Zugleich führt der Kreml an, sich von der NATO bedroht zu fühlen.
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums telefonierte US-Generalstabschef Mark Milley am Donnerstag mit seinem belarussischen Kollegen Viktor Gulewitsch, um die Gefahr von "Fehleinschätzungen" vor dem Hintergrund eines Militärmanövers in der nahe der ukrainischen Grenze gelegenen Region Brest zu verringern. Den USA zufolge wurden rund 30.000 Soldaten aus Russland nach Belarus verlegt.
Nach russischen Angaben geht es bei der Übung darum, die Streitkräfte darauf vorzubereiten, "externe Aggressionen" abzuwehren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Moskau aber vor, "psychologischen Druck" auf sein Land auszuüben.
Russland hatte außerdem sechs Kriegsschiffe zu Marineübungen im Schwarzen Meer und im benachbarten Asowschen Meer entsandt. Kiew verurteilte die Anwesenheit dieser Schiffe als einen "beispiellosen" Versuch, die Ukraine von beiden Meeren abzuschneiden.
Unterdessen teilte das US-Militär am Donnerstag mit, dass Langstreckenbomber des Typs B-52 zusammen mit Bodenpersonal auf dem britischen Luftwaffenstützpunkt Fairford in England gelandet seien. Sie sollen demnach an einer "seit langem" geplanten NATO-Übung teilnehmen. Außerdem waren laut Angaben vom Donnerstag vier Zerstörer vergangenen Monat zu NATO-Übungen in das von der Sechsten US-Flotte abgedeckte Gebiet entsandt worden, das auch das Mittelmeer umfasst.
Vor der Reise des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz nach Kiew und Moskau beendeten Vertreter beider Seiten unterdessen ihr zweites Treffen im "Normandie"-Format seit Beginn der aktuellen Krise ohne greifbares Ergebnis. Nach fast zehnstündigen Verhandlungen in Berlin zogen die deutsch-französischen Vermittler am Donnerstagabend ein nüchternes Fazit: In "schwierigen Gesprächen" zwischen den Gesandten Russlands und der Ukraine seien "die unterschiedlichen Positionen und verschiedene Lösungsoptionen deutlich herausgearbeitet" worden. Die russische Seite warf den Vermittlern anschließend vor, zu wenig Druck auf die ukrainische Regierung auszuüben.
An dem Treffen nahmen die außenpolitischen Berater der Präsidenten Putin und Selenskyj sowie deren Kollegen aus Berlin und Paris teil. Danach teilten die deutsch-französischen Vermittler mit, alle Teilnehmer würden an der Friedensvereinbarung für die zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen umkämpfte Ostukraine festhalten. "An deren voller Umsetzung wird weiter mit Nachdruck gearbeitet werden."
Die erste solche Vierer-Runde seit Beginn der aktuellen Krise um den russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze hatte Ende Jänner in Paris stattgefunden. Ein weiteres Treffen in diesem sogenannten Normandie-Format wurde nun für März vereinbart.
Unterdessen lässt die deutsche Regierung Estland weiter im Unklaren, ob es neun Artilleriegeschütze aus DDR-Beständen an die Ukraine liefern darf. Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Donnerstagabend nach einem Gespräch mit Scholz in Berlin, es gebe immer noch keine offizielle Antwort auf die Anfrage ihres Verteidigungsministeriums. "Wenn man sich ihre öffentliche Meinung anschaut, sieht es eher danach aus, dass es ein 'Nein' wird."
Die neun Haubitzen waren von der deutschen Bundeswehr erst an Finnland abgegeben worden und dann von dort nach Estland gelangt. Es ist vertraglich geregelt, dass Deutschland einer Weitergabe zustimmen muss. Die deutsche Regierung lehnt die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine bisher jedoch ab, weil sie grundsätzlich keine Waffen in Krisengebiete liefern möchte. Scholz traf am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs aller drei baltischen Staaten zum Abendessen und sicherte ihnen den Beistand Deutschlands zu.
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