Berlin: „Superminister“ und die Mühen der Ebene

Händeschütteln beim Einzug ins Paul-Löbe-Haus des Bundestages, wo Angela Merkel, Vize Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer den Koalitionsvertrag unterzeichneten
SPD-Chef Gabriel ist trotz Wahlniederlage auf Augenhöhe zur siegreichen Kanzlerin Merkel.

In betont gelöster Stimmung unterschrieben Montagmittag im Foyer des Bundestags-Bürotrakts die Chefs von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag. Er ist juristisch ohne Bedeutung, die Unterschriften von Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel unter den 185-Seiten-Vertrag sind aber ein wichtiger symbolischer Akt. Merkel, die am Dienstag vom Bundestag und anschließend von Bundespräsident Joachim Gauck zum dritten Mal als Kanzlerin angelobt wird, war dabei die Gelassenheit in Person: Sie brachte den Akt routiniert hinter sich, auch wenn ihr die Anstrengungen der letzten Zeit anzusehen waren.

Ihr Stellvertreter in der neuen Regierung, SPD-Chef Gabriel, bedankte sich für „die fairen Verhandlungen“. Er gilt als Gewinner des Koalitionsvertrags, zumindest auf den ersten Blick. Und krönt damit vorläufig seinen Aufstieg.

In der niedersächsischen Kleinstadt Goslar in zerrütteten Verhältnissen aufgewachsen, engagierte sich der gelernte Berufsschullehrer für Deutsch und Geschichte früh für die SPD. Sein wichtigster Mentor wurde Gerhard Schröder. Als dieser 1999 Hannover verließ, um in Berlin Kanzler zu werden, übergab er den Ministerpräsidenten-Job an Gabriel. Doch der verlor die nächste Wahl krachender als jeder Vorgänger gegen den blassen CDU-Herausforderer Christian Wulff.

Danach blieb Gabriel nur das niederste SPD-Amt des „Popmusik-Beauftragten“. Den Spitznamen „Siggi Pop“ wurde er erst als Umweltminister in der ersten Großen Koalition Merkels los, mit der er gut harmonierte.

Nach der historischen SPD-Niederlage 2009 übernahm Gabriel die ratlose und in personellen Kämpfen zerstrittene Partei. In den vier Jahren seither schloss er die Kluft zwischen den alten Schröder-Anhängern und dem linken Flügel. Die personellen Querelen tarierte Gabriel mit der Erfindung des wirtschaftsnahen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aus, den er gleichwohl auf eine linke Wahlkampflinie zwang. Die brachte zwar der SPD die zweitgrößte historische Wahlniederlage, mit dem Trick der Befragung der Koalitions-skeptischen Mitglieder aber erzwang Gabriel von der siegreichen Merkel einen stärker SPD-geprägten Koalitionsvertrag, als ihn das Wahlergebnis hergab.

Als Wirtschafts- und Energieminister ist er nun für die Reparatur der völlig verunglückten Energiewende verantwortlich. Da setzt er sich auch dem Scheitern aus, zu dem inzwischen auch die EU -Kommission mit Kritik an der Förderpraxis beitragen könnte. Gelingt Gabriel hingegen das Wichtigste, die Kostendämpfung, kann er spätestens 2017 noch unumstrittener die SPD-Kanzlerschaft anstreben: Gegen Merkel oder ihre Nachfolger(in).

Ein Porträt der neuen Verteidigungsministerin Von der Leyen finden Sie hier.

Die "GroKo":

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CDU member of parliament Gruetters greets her new

Sie wurde 1967 in Hamburg geboren, nachdem neun Jahre zuvor ihre Eltern aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren. Aydan Özoguz ging hier zur Schule und auf die Universität. Sie engagierte sich früh politisch, sitzt seit 2009 für die SPD im Bundestag und ist seit 2011 SPD-Vizevorsitzende. Und doch bekommt die neue deutsche Staatssekretärin für Migration, Flüchtlinge und Integration vor allem ein Etikett: das der Migrantin. Oder, wie Sigmar Gabriel sie angepriesen hat: die erste Frau im deutschen Bundeskabinett mit türkischen Wurzeln.

Dabei wollte die streitbare Sozialdemokratin Özoguz, die sich stets für Integrationsfragen einsetzte, schon früh nicht auf ihre Herkunft reduziert werden. „Ich bin Deutsche, aber nicht seit meiner Geburt. Deutsch ist meine erste, aber nicht meine Muttersprache.“ Aber Özoguz blendet ihre Wurzeln nicht aus: „Wenn die Eltern zugewandert sind, dann prägt das, weil man sich durchboxen, eine andere Sprache lernen, sich eine Existenz aufbauen musste.“

Als prägende Ereignisse beschrieb die Sozialdemokratin die ausländerfeindlichen Anschläge von Mölln und Solingen in den frühen 90er-Jahren. „Wir brachten den Kindern bei, wie man die Wohnung notfalls mit einer Feuerleiter verlassen konnte“, erzählte sie später.

Die Staatssekretärin, von der gesagt wird, dass sie auch Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Engagement fasziniert hat, ist mit dem Hamburger Innensenator Michael Neumann verheiratet. Sie haben eine zehnjährige Tochter.

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