Wird von der Leyen die neue Merkel?

Die erste Verteidigungsministerin Deutschlands gilt als Allzweckwaffe der CDU und Kanzlerkandidatin für 2017.

Eine Frau erhält die Befehlsgewalt über das deutsche Bundesheer. Es ist eine Sensation und eine Entscheidung mit Symbolkraft, dass Kanzlerin Angela Merkel ausgerechnet die Ärztin Ursula von der Leyen zur Verteidigungsministerin bestellt: Das Ressort gilt als typische Männerdomäne und besonders schwierig.

Selbst für Beobachter kam die Entscheidung überraschend. Dabei soll von der Leyens Bestellung keineswegs eine spontane, dem Postenkarussell geschuldete Idee gewesen sein. Bei Günther Jauch am Sonntag bestätigte die designierte Verteidigungsministerin, dass die " Kanzlerin bereits längerfristig an dem Plan gearbeitet" habe.

Merkels Segen

Dass Merkel ihr nach Familie und Arbeit ausgerechnet die Verteidigung anvertraut, bietet Raum für Spekulationen. Von der Leyen als ideale Nachfolgerin Merkels – ein Gedanke, den die Kanzlerin mit ihrer Personalentscheidung wohl selbst provoziert hat. Schließlich gilt das Amt des Verteidigungsministers als einer der wichtigsten Kabinettsposten. Könnte ihre Bestellung also als Segen für eine Kanzlerkandidatur 2017 interpretiert werden?

Ambitionen für das Amt werden der 55-jährigen CDU-Politikerin von der Leyen bereits seit geraumer Zeit nachgesagt. Macht sie ihre Sache im Verteidigungsministerium gut, steht ihr die Kanzlerkandidatur wohl mehr als offen.

Modernes CDU-Frauenbild

Eine starke und kämpferische Persönlichkeit ist Ursula von der Leyen auf jeden Fall. 1958 kommt sie in Brüssel als Tochter einer Germanistin und des späteren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht zur Welt. Zuerst studiert sie Volkswirtschaftslehre, dann sattelt sie auf Medizin um.

2005 wird sie Familienministerin – ohne großartige politische Erfahrung. Mit langen Haaren und sieben Kindern vertritt sie das moderne CDU-Frauenbild: verheiratet, gut ausgebildet, berufstätig. Anfangs inszeniert sich sie als gute Mutter und Ehefrau. Nach Kritik, sie missbrauche ihre Familie für ihre politischen Ziele, vermeidet sie weitere Bilder mit ihren Kindern.

"Ich habe nicht gedient"

Mit Familienministerin Kristina Schröder gerät sie als Sozialministerin ob verschiedener Frauenbilder und besonders beim Thema Frauenquote öfter aneinander. Von der Leyen bekommt den Ruf zielstrebig und angriffig zu sein.

Kämpferisch zeigt sie sich auch bei Günther Jauch am Sonntag. Ob sie etwas von Verteidigungspolitik verstehe, so der Moderator. "Ich habe nicht gedient," ist die schlagkräftige Antwort der Ministerin, die mit Gelächter und Applaus aus dem Publikum honoriert wird. Nach ihren Vorgängern wie dem sachlichen Thomas de Maizière, Karl-Theodor zu Guttenberg oder dem steifen Franz Josef Jung zieht jetzt eine Prise Charme ins Verteidigungsressort, kommentiert Die Welt.

Deutschlands neue Minister

Die dritte Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist besiegelt. Die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD - Kanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel - unterzeichneten am Montag in Berlin den Koalitionsvertrag. Der Bundestag kommt am Dienstag zusammen, um Merkel zur Regierungschefin zu wählen. Bundespräsident Joachim Gauck hat sie am Montag gemäß dem Grundgesetz auch offiziell für die Wahl zur Kanzlerin vorgeschlagen.

Die Minister stehen indes schon fest - die Liste birgt Überraschungen:

"Meine Planungen sind schon sehr, sehr alt, verglichen mit dem, was sonst so passiert“, war der einzige Kommentar zum Prozedere und zum persönlichen Gefühl von CDU-Chefin Merkel am Sonntag Abend bei der Verkündung ihrer Ministerliste. Dabei gab es nach den Indiskretionen der Tage zuvor keine Überraschungen mehr außer bei einigen Staatssekretären. Die größte ist der Wechsel des deutschen EZB-Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen als SPD-Staatssekretär ins Arbeitsministerium. Er machte dafür ausschließlich familiäre Gründe geltend.

Die größte Überraschung der CDU-Liste wurde offiziell bestätigt: Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin (siehe oben). Die heikelste für Kanzlerin Merkel persönlich ist der Ersatz des Kanzleramtsministers und engsten Vertrauten Ronald Pofalla, der aus der Politik gegen ihren Willen ausscheidet. Merkel bedauerte das ausdrücklich und lobte ihn - für ihre Verhältnisse – überschwänglich. Pofalla folgt ein anderer Vertrauter, der bisherige Umweltminister Peter Altmaier. Der dritte enge persönliche Berater ist CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der zum Gesundheitsminister aufsteigt.

Schäuble bleibt

Thomas de Maizière, bisher Verteidigungsminister und der längste politische Wegbegleiter Merkels, geht zurück ins Innenministerium, das er schon zuvor geleitet hatte. Finanzminister Wolfgang Schäuble, mit 72 der älteste und wichtigste Minister, bleibt was er war – mit allen Kompetenzen, auch denen für Euro und EU.

Neuer CDU-Generalsekretär wird der bisher unauffällige 39-jährige Peter Tauber.

Auch CSU-Chef Seehofer sorgte für Überraschungen: Ins Verkehrsministerium zieht sein Generalsekretär und engster Vertrauter Alexander Dobrindt ein. Der bisher oft poltrig auftretende Dobrindt ist vor allem Seehofers Maut-Held: Er soll den Wahlschlager „PKW-Maut nur für Ausländer“ rasch umsetzen. Für die hatte ihm der bisherige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) offenbar nicht genug getan.

Hans-Peter Friedrich, bisher Innenminister, wechselt ins Landwirtschafts-Ressort. Das politisch unbedeutendste, das für Entwicklungshilfe, geht an den bisherigen Agrar-Staatssekretär Gerd Müller.

Der von seinem positiven Mitgliedervotum beflügelte SPD-Chef Gabriel präsentierte nun auch die Staatssekretäre seiner Partei. Bemerkenswert ist dabei nur die Besetzung der „Integrationsbeauftragten“ mit Parteivizechefin Aydan Özoguz. Sie ist das einzige Regierungsmitglied mit Migrationshintergrund. Die wichtigste Stelle der SPD außerhalb der Regierung, den Bundestagsfraktionschef, übernimmt Thomas Oppermann, bisher Fraktionsgeschäftsführer.

Die Regierung Merkel III wird am Dienstag angelobt.

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