Golan: "Bei einer Warnung wäre unser Stützpunkt angegriffen worden"

Ein früherer UN-Soldat gibt Einblicke in den Einsatz der Blauhelme am Golan. Er will anonym bleiben.

Neun syrische Geheimpolizisten nähern sich einem Hinterhalt von libanesischen Schmugglern in der demilitarisierten Zone am Golan. Die österreichischen Blauhelme, die zur Beobachtermission vor Ort sind, winken die Syrer durch ihren Checkpoint und lassen sie in die Falle tappen. Die neun Männer sterben.

Der Vorfall, der sich im Herbst 2012 ereignet hat, sorgte in den vergangenen Tagen für Aufsehen, da ein Video, das offenbar von den Soldaten selbst gemacht worden war, dem Falter zugespielt wurde.

Der KURIER sprach mit einem österreichischen Soldaten, der kurz nach dem Vorfall seinen Einsatz am Golan begonnen hat und anonym bleiben will. Er nimmt die involvierten Soldaten in Schutz und beschreibt die Befehlskette für solche Ereignisse und die Ausnahmesituation, in der sich die Blauhelme befinden.

Wann haben Sie vom Vorfall mit den neun toten Syrern erfahren?

Erfahren habe ich über den Vorfall am Beginn meines Einsatzes auf den Golanhöhen, Dezember 2012.

Kannten Sie das Video?

Nein, die Videoaufnahmen kannte ich nicht.

Wie wurde der Vorfall unter den Soldaten diskutiert?

Natürlich wurde darüber gesprochen und jeder war schockiert, dass das vor einigen Monaten ganz in unserer Nähe passiert ist. Viele, einschließlich mir, waren der Meinung wenn man den neun Polizisten die Umstände verraten hätte, wäre unser Stützpunkt von den verschanzten Personen angegriffen worden. Aber das ist weit hergeholt, da das UNDOF-Mandat besagt, sich nicht in den Bürgerkrieg zu involvieren und keine UN-Soldaten zu gefährden. So schlimm das auch klingt.

Können Sie die Befehlskette an dem Wachposten erklären? Wer war verantwortlich, dass die Syrer durchgewunken wurden?

In solchen Situationen setzt sich die Befehlskette wie folgt zusammen: Zuerst meldet der Wachposten die „auffälligen Gruppierungen“ an eine Kommandozentrale, welche wiederum den Kompaniekommandanten verständigt. Dieser (gemeinsam mit anderen hochrangigen Offizieren) entscheidet dann natürlich im Sinne des UNDOF-Mandats, was weiterführend gemacht wird.

Wie sehen Sie den Vorfall, wie hätten Sie reagiert?

Ich möchte mir hier nicht anmaßen zu sagen, wie ich reagiert hätte. In solche Ausnahmesituationen kann man sich nicht hineinversetzen, das ist unglaublicher Stress für einen Menschen.

Verstörend bei diesem Video sind die Kommentare der Soldaten, wie sehen Sie das?

Ich sehe das genauso und bin mir sicher, dass auch die Soldaten im Nachhinein das so sehen. Wie gesagt, wenn man unter derartigem Stress steht, sagt man Sachen die man im Nachhinein bereut. Das kennt, glaube ich, jeder.

Sind Ihnen andere Vorfälle dieser Art bekannt?

Nein, ein ähnlicher Vorfall ist mir nicht bekannt.

Wie wird man als UNO-Soldat auf solche Situationen vorbereitet?

Mit einer umfassenden Ausbildung in allen Bereichen, die im Einsatz abzudecken sind. Vor allem eine gute Sanitätsausbildung aber auch Bereiche wie Selbstverteidigung und Fernmeldedienst stehen ganz oben auf der Liste.

Können Sie sich erklären, warum die Videos jetzt erst auftauchen? Wer hat Interesse daran?

Das kann ich mir auch nicht erklären.

Glauben Sie, dass es für die Soldaten rechtliche Konsequenzen geben wird?

Ich bin kein Jurist und kenne mich auf diesem Gebiet auch nicht gut aus, das wären reine Spekulationen. Aber da im Sinne des UNDOF-Mandats gehandelt wurde, glaube ich nicht, dass es zu Verurteilungen kommt.

Sind heimische Soldaten für diese Art von Einsätzen überhaupt gut genug vorbereitet?

Auf jeden Fall.

Würden Sie nochmals auf den Golan gehen?

Aufgrund von meiner jetzigen familiären Situation könnte ich mir so einen Einsatz nicht mehr vorstellen.

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