Er könnte, anders als bei der letzten Parlamentswahl im Jahr 2017, das Ziel verfehlen, mit einer absoluten Mehrheit von 289 der 577 Sitze in der Nationalversammlung zu regieren. Voraussichtlich kann das Bündnis Ensemble! („Gemeinsam!“) aus seiner Regierungspartei LREM und weiteren Partnern der politischen Mitte mit 255 bis maximal 295 Sitzen rechnen. Mit 25,75 Prozent lag Ensemble! am Sonntag nur hauchdünn vor dem rot-grünen Bündnis Nupes („neue soziale und ökologische Volks-Union“), bei dem sich „Das unbeugsame Frankreich“, die Partei des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, mit den Sozialisten, Grünen und Kommunisten zusammengeschlossen hat. Nupes erreichte 25,66 Prozent und kann letztlich mit 150 bis 190 Sitzen rechnen.
Der Zusammenschluss fordert eine sozialere Politik von der Erhöhung des Mindestlohns auf 1.500 Euro bis zu einer Rückkehr des Renteneintrittsalters von 60 Jahren (derzeit 62). Vor allem machte Mélenchon aber Wahlkampf auf Basis der Ablehnung Macrons: Denn der würde seine „brutale“ Politik fortsetzen.
Tatsächlich hat Macron unter anderem eine Erhöhung des Rentenalters angekündigt. Ohne eine absolute Mehrheit wäre er für die Umsetzung solcher Projekte von Stimmen aus der Opposition abhängig – beispielsweise der konservativen Republikaner, die bisher 100 Sitze hatten, aber künftig wohl nur noch auf 50 bis 80 Mandate kommen. Für ihre Zustimmung würden sie freilich Zugeständnisse einfordern.
Für die zweite Runde der Parlamentswahlen qualifiziert sich, wer im ersten Durchgang mindestens 12,5 Prozent der Stimmen der eingeschriebenen Wählerinnen und Wähler erhält.
Das französische Mehrheitswahlrecht wird oft dafür kritisiert, größere Parteien zu begünstigen. Vor allem der rechtsnationale Rassemblement National (RN) hat hierbei meist das Nachsehen. Bisher reichte es nicht einmal für eine eigene Fraktion, für die mindestens 15 Abgeordnete nötig sind.
Simone Weiler, Paris
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