Außerirdische: Sind wir alleine im All, Herr Kerschbaum?
Der Astronom Franz Kerschbaum über neue Entdeckungen im All, die Frage, wie anderes Leben aussehen könnte, und dass wir zu wenig Lärm machen, um gefunden zu werden.
Die NASA hat einen Ufo-Beauftragten ernannt; im mexikanischen Parlament wurden (vermutlich gefälschte) Alien-Mumien präsentiert; und 120 Lichtjahre entfernt wurde auf einem Planeten ein Molekül entdeckt, das auf Leben schließen lässt – wie geht das? Wie seriös ist das? Ein Gespräch mit dem führenden Astronomen Franz Kerschbaum über die Frage: Sind wir allein?
KURIER: Sind Sie genervt, dauernd nach außerirdischem Leben gefragt zu werden?
Na, gar nicht! Auch für mich ist das die spannendste astronomische Frage: Sind wir allein im All? Ich arbeite selbst mit Weltraummissionen am Versuch einer Antwort mit, und die ändert für uns, die wir das Gefühl haben, einzigartig zu sein, sehr viel.
Also sind wir nicht allein?
Bis jetzt haben wir noch nichts Endgültiges gefunden. In den nächsten zehn Jahren könnten wir der Beantwortung deutlich nähergekommen sein.
Bis vor 75 Jahren waren wir sicher, dass es sogar auf dem Mars Leben gibt.
Ja, im ausgehenden 19. Jahrhundert wurden Teleskope immer besser, man hat auf dem Mars so etwas wie Kanäle entdeckt, in dunklen Flecken Städte vermutet – Percival Lowell, amerikanischer Astronom mit einer Sternwarte, brachte eine Serie von Mars-Büchern heraus („Mars as the abode of life“) und beschrieb dort, wie sie auf dem Mars Agrikultur betreiben, welche Straßennetze es dort gibt, wo dort Saurier leben ...
Ein wissenschaftlicher Erich von Däniken sozusagen.
Genau, er hat diese totale Marsbegeisterung um 1900 erzeugt, die in der Marsliteratur („Invasion vom Mars“ etc.) mündete. Erst in den 1950er-Jahren, als die erste Raumsonde vorbeiflog, kam man drauf: Da ist eigentlich nichts, da schaut’s aus fast wie am Mond. Das sollte man auch bedenken bei der medialen Aufregung über jedes neu auftauchende außerirdische Leben.
Also unaufgeregt: Auf einem weit entfernten Planeten wurde gerade ein Molekül entdeckt, das es nur dort gibt, wo es Leben gibt. Wissenschafter sprechen von einer Sensation.
Es wurde die spektrale Signatur der Atmosphäre eines Planeten, der um einen anderen Stern kreist ...
Wie bitte?
Die Atmosphäre auf K2-18b hat eine Zusammensetzung, die auf biologische Prozesse hindeutet.
Das sieht man, obwohl man den Planeten selbst gar nicht sieht im Webb-Teleskop?
Den erkennt man durch die minimale Lichtveränderung, wenn der Planet vor dem Stern vorüberzieht und dieser durch die Atmosphäre des Planeten leuchtet.
Und das reicht?
Ja, weil im Sternenlicht ist dann quasi ein Fingerabdruck der Planetenatmosphäre und ihrer Moleküle. Man könnte so auch Veränderungen feststellen, ob es Jahreszeiten gibt, ob sich der CO2-Gehalt ändert etc.
Es ist noch nicht sicher detektiert, aber es sieht so aus, als gäbe es dort das Dimethylsulfid. Das ist ein Molekül, das wir vom Urlaub am Meer kennen: Wenn’s ein bisserl fischelt, das ist dieser Geruch ...
Auf dem Planeten fischelt’s?
Es hat Meeresgeruch. Auf der Erde entsteht das durch Bakterien, die etwas zersetzen, durch Plankton, durch biologische Prozesse. Das heißt nicht, dass es chemisch keine andere Möglichkeit für dieses Molekül gibt, aber wir kennen keine andere. Und jetzt ist die Frage, ob so etwas öfter vorkommt bei Planeten mit solchen offenkundigen Wasserwelten – der K2-18 dürfte komplett mit Wasser bedeckt sein.
Allfällige Aliens sind bestenfalls Fische?
Oder einfachere Lebensformen. Wir können aus der Ferne nicht sagen, ob’s dort grüne Männchen gibt oder grünen Schleim.
Sie sagen, man muss klären, ob das öfter vorkommt. Vor 30 Jahren war noch nicht einmal ein anderer Planet in unserer Galaxie entdeckt ...
Stimmt.
Wie viele sind es heute?
Zurzeit etwa 5.500.
Und in unserer Milchstraße gibt es 100 Milliarden Sterne. Es sind eher 400 Milliarden Sonnen in unserer Galaxie, und es gibt noch mal 100 Milliarden Galaxien. Wenn man das multipliziert, kommt man auf 40 Trilliarden Sonnen, das ist eine Zahl mit 22 Nullen.
Zählen kann man das nicht.
Wenn man 40 Trilliarden Weizenkörnen nimmt, dann könnte man die ganze Erde damit zwei Meter hoch bedecken. Mit genauso vielen Sandkörnern 20 cm hoch.
Es gibt Sonnen wie Sand am Meer, und jede zweite hat einen oder mehr Planeten?
Im Groben ja. Und das führt wieder zur Frage: Sind wir allein? Der Astronom Carl Sagan sagte darauf: „Gäbe es nur uns, wär das eine riesige Platzverschwendung.“
Außerirdisches Leben – könnte es nicht auch eines geben, das wir gar nicht als Leben erkennen?
Das ist eine ganz wichtige Frage: Was ist Leben? Als Naturwissenschafter gehen wir berechtigt davon aus, dass das Universum und damit Leben überall die gleichen Gesetzmäßigkeiten hat, die Physik, die Chemie ...
Oder wir können uns alles andere nur nicht vorstellen?
Nein, wir nehmen an, dass Leben stofflich ist. Man braucht komplexe Chemie wie mit Kohlenstoff, Lösungsmittel wie Wasser. Wenn’s so etwas gibt – dort können wir suchen. Aber Leben muss nicht ausschauen wie wir. Schauen wir, welche Lebensformen es allein auf der Erde gibt, vom Tiefseeboden bis unter die Antarktis.
Suchen wir nicht nach intelligentem Leben?
Ja auch, da denken wir als Erstes an Besuche und an Kommunikation. Mit sehr großen Antennen würden wir eine andere Zivilisation, die einen ähnlichen Wirbel macht, wie wir, über einige zehn Lichtjahre entdecken können. Haben wir aber nicht.
Also gibt’s doch niemanden?
So wie wir leiser geworden sind, jetzt schon weniger funken als vor 50 Jahren und uns auch niemand mehr finden würde, so sind andere vielleicht auch leiser geworden.
Besucht hat uns auch noch niemand – oder ist schnell wieder abgereist ...
Es gibt keinen Konsens, dass dem so wäre. Es gibt immer wieder Meldungen wie jetzt aus Mexiko mit den angeblichen Alien-Mumien – aber dass Außerirdische belegt da gewesen wären, und die Amerikaner oder Russen hätten es seit 50 Jahren verheimlicht ... – also häufig gelandet wird nicht.
Vielleicht weil die Distanzen so groß sind?
Wir können uns mit unserer heutigen Technik interstellare Reisen nicht realistisch vorstellen. Selbst vom K2-18, 120 Lichtjahre weg, bräuchte man mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit 1.200 Jahre zu uns.
Dennoch beschäftigt sich der US-Kongress mit Sichtungen, die NASA hat einen eigenen Ufo-Beauftragten ernannt.
Wenn es Sichtungen gibt, etwas, das man nicht erklären kann, dann muss man das studieren. Ich werde gerne angerufen, weil Menschen irgend etwas am Himmel gesehen haben, und kann aus eigener Erfahrung sagen: Es war bisher nichts. Es war die Venus, es waren die ISS oder die Starlink-Satelliten oder ein unscharfes Sternenfoto, das verschwommen wie eine Scheibe aussieht.
Schade eigentlich. Danke für den Ausflug ins Universum.
Zur Person: Franz Kerschbaum
Der Waldviertler, Jahrgang 1963, ist Professor am Institut für Astrophysik der Uni Wien und Vizedekan. Der begeisterte Fotograf und Hobbyschauspieler befasst sich neben beobachtender Astrophysik auch mit interdisziplinären Astronomie-Projekten in Verbindung mit Philosophie, Kunst und Theologie.
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