Warum der Mensch auf den Mond fliegt
KURIER: Wir jammern über die Hitze, aber auf dem Mond hat’s oft 130 Grad Celsius in der Sonne. Da will man jetzt auch nicht hin, oder?
Franz Kerschbaum: Dort ist immer entweder zu viel oder zu wenig, im Schatten hat es minus 160 Grad.
Sehr ungemütlich.
Man kann es auch positiv sehen: Am Mond gibt es Plätze, wo die Sonne nie hinkommt ...
Die dunkle Seite des Mondes gibt es doch nicht?
Nein, aber es gibt Krater an den Polen, wo nie ein Sonnenlicht reinfällt. Dort vermutet man größere Wassereisvorräte. Das hat Potenzial für eine allfällige Besiedelung, dort könnte man sich Wasser oder Wasserstoff für Antriebe holen. Umgekehrt gibt es dort Berggipfel, wo immer die Sonne scheint, da könnte man Energie gewinnen.
Aber Wind gibt es keinen.
Nein.
Das heißt, die Fußstapfen, die die ersten Astronauten auf dem Mond hinterlassen haben, gibt es noch?
Wenn sie nicht durch Mikrometeoriten zerstört werden, die auf dem Mond laufend einschlagen und eine Oberfläche wie Puderzucker bilden: ja.
Man könnte die also fotografieren und alle Verschwörungstheoretiker widerlegen, die sagen, es hat nie eine Mondlandung gegeben?
Man hat sie aus dem Orbit fotografiert. Auch die Unterteile der Mondlandeeinheiten, die dort noch stehen, und die Fahnen. Aber wer’s nicht glauben will, glaubt’s auch mit den Fotos nicht. Was mir mehr Sorgen macht ist, dass bald auch kleine Nationen und Private auf dem Mond landen und dann Fotos von den alten Landing sites machen und etwas verändern oder gar mitnehmen. Das ist dann schon eine Frage des Weltkulturerbes ...
Eigentlich des Mondkulturerbes!
... genau. Da gibt es schon Gespräche auf internationaler Basis, dass man diese Landeplätze schützt, damit dort nicht einfach jemand herumtrampelt und am Ende den Fußabdruck Neil Armstrongs zerstört.
Apropos Fußabdruck: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“ hat Neil Armstrong am 21. Juli 1969 beim Betreten des Mondes gesagt. War das wirklich so ein großer Sprung?
Es war insofern ein ganz großer Schritt, als er gezeigt hat: Wenn wir etwas wollen, dann können wir sehr, sehr Großes erreichen. Auch wenn es kein direktes kommerzielles Interesse gibt. Natürlich wissen wir, dass das alles vor allem politisch – Stichwort: Kalter Krieg – und nicht wissenschaftlich getrieben gewesen ist.
Die Amerikaner wollten als Erste oben sein. Für die Wissenschaft alleine hätte man das nie gemacht?
Das sieht man auch daran, dass, als die Amerikaner das Ziel erreicht hatten, die Russen ihre Versuche eingestellt haben und die Amerikaner nicht mehr lange weitergemacht haben.
Wie nahe waren die Russen dran?
Das war sehr nahe, ein paar Jahre vielleicht. Dafür haben die Russen dann die erste langfristige Raumstation gebaut.
War der Schritt zur Raumstation wissenschaftlich ein größerer als der auf den Mond – auf der Station wird ja viel Wichtiges erforscht?
Auch dieser Schritt war politisch. Viele der Forschungsziele hätte man, wenn man den Geldeinsatz betrachtet, auch ohne die Raumstation erreichen können.
Die ganzen Experimente auf der ISS gehen anders auch?
Mehr und mehr. Klar, die mit dem Menschen im Weltall funktionieren nur so. Aber Astronomie- und Physikexperimente gehen oft besser oder günstiger ohne Raumstation.
Dann braucht’s Menschen im All gar nicht?
Das stimmt so natürlich nicht. Und manche Experimente wären wohl nie finanziert worden, wenn sie nicht bemannt durchgeführt worden wären.
Geld fürs Spektakel hilft der Wissenschaft?
Ich bin mir nicht sicher, ob die 382 Kilo Mondgestein auf die Erde gebracht worden wären, hätte man nicht auch die Menschen zurückbringen müssen. Das Geld, das das Apollo-Programm gekostet hat, wäre nie in normale Grundlagenforschung geflossen. Also hat die Wissenschaft von den bemannten Flügen enorm profitiert – allein von den Vorbereitungen zur Mondlandung, Kartografierung, bis zur Mondbahnmessung danach, ja.
Eine Apollo-Kapsel war einmal in Wien ausgestellt: In so etwas würde heute kein Astronaut mehr einsteigen, oder?
Aber ja, die Orion-Kapseln, mit denen die Amerikaner wieder zum Mond wollen, sind sogar recht ähnlich. Weil die Einschränkung von damals, die Massenbeschränkung, ist die gleiche, die Antriebe sind auch nicht so viel anders.
Trump will ja zum Mond – also nicht er, auch wenn mancher ihn dorthin wünschte: Wann wird das soweit sein, und warum noch einmal dorthin?
Im nächsten Jahrzehnt wird man bemannt vielleicht noch nicht landen, aber den Mond umkreisen können. Und man kann Infrastruktur im Orbit nahe dem Mond aufbauen, von der man dann zum Mond reist. Und dort eine Station aufbaut. Die Apollomissionen waren im Prinzip Wegwerfmissionen für die paar Tage „Mondurlaub“, bald kann man dort längerfristig arbeiten.
Und wozu?
Am Mond gibt es noch viel Interessantes zu erforschen, besonders auf der Rückseite oder an den Polregionen. Wie gesagt: Dort haben wir den Kühlschrank des Sonnensystems, da sind Dinge seit Milliarden Jahren eingefroren in den kalten Kratern. Vor 50 Jahren sind wir aufgrund der technischen Möglichkeiten nur in den „langweiligsten“ Mondregionen gelandet.
Heute denkt man schon an den Mars.
Genau, und beim Aufbau von Mondstationen würde man auch ganz viel für eine allfällige Mission zum Mars lernen. Ein Marsraumschiff könnte gar vom Mondorbit aus starten.
Das große Interesse der Menschheit am Mond kommt ...
... daher, dass er am nächsten ist. Es gibt auch schönere Berge als den Everest, aber die Leute gehen rauf, weil er der Höchste ist und da ist. Natürlich wäre der Mars interessanter. Aber der Mond ist in 0,4 Millionen Kilometern Entfernung, beim Mars reden wir von einer Reise über viele Hundert Millionen Kilometer.
Den Mond brauchen wir wofür?
Er stabilisiert die Pollage, also die Erdachse. Gäbe es den Mond nicht, würde es die Erde durch Störungen, Gezeitenkräfte anderer Planeten oder einen Einschlag häufiger aus dem Lot bringen.
Ah ja, die Gezeiten verdanken wir ihm auch.
Und denen verdanken wir vielleicht überhaupt das Leben auf der Erde.
Wieso?
Gezeiten erzeugen wechselnde Tümpel in flachen Zonen. Und Leben könnte in solchen Gezeitentümpeln entstanden sein.
Ohne Mond gäbe es uns nicht?
Vermutlich ja.
So aber haben auch Sie 1969 die Mondlandung verfolgt. Wo?
Mit sechs Jahren bei Nachbarn, die einen Fernsehapparat hatten. Das Kinderbuch „Kasperl auf Mondfahrt“, das mir mein Vater schenkte, habe ich heute noch.
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