Kein Komet in Sicht

Kein Komet in Sicht
Der Astronom Franz Kerschbaum über den 21. Dezember 2012, über Trümmer, die uns auf den Kopf fallen, und darüber, warum wir keine Angst haben müssen – zumindest einige 100 Millionen Jahre nicht.

Sein Arbeitsplatz befindet sich in einem der faszinierendsten Gebäude des Landes, der altehrwürdigen, aber hoch aktiven Universitäts-Sternwarte in Wien Währing. In deren Museumstrakt befinden sich alte Fernrohre, wertvolle Sternenkarten, Globen des Himmels und der Erde, die Astronomie-Geschichte atmen und schon viele prognostizierte Weltuntergänge überdauert haben.

Das wird auch diesmal so sein, sagt der renommierte Astronom Franz Kerschbaum. Kein Komet in Sicht, auch sonst alles normal, kurzum: Am 21. Dezember passiert, Maya-Kalender hin oder her, gar nichts. Aber irgendwann ist Weltuntergang. – Ein Gespräch über ebendiesen.

KURIER: Herr Professor, was machen Sie kommenden Freitag?
Franz Kerschbaum:
Ich werde im Weihnachtseinkaufs-Stress sein. Ich bin wie immer spät dran und will den Einkaufssamstag vermeiden.

Hallo?! Sollten Sie nicht durchs Teleskop schauen, wohin die untergehende Erde taumelt?
Nein, weil’s wieder nicht passieren wird, obwohl schon so oft behauptet.

In Russland hat der Premier sogar via TV beruhigen müssen, dass die Erde nicht untergeht ...
Auch der Vatikan hat schon Entwarnung gegeben, von höchster Stelle also. Das ist doch beruhigend, oder?

Ja, Gott sei Dank, sozusagen.
Trotzdem liebäugeln die Menschen, oft nicht ganz ernst gemeint, mit solchen Untergangsszenarien, kaufen sich Bücher darüber.

Rufen sie auch bei Ihnen an?
Nicht nur zum Maya-Kalender. Wenn die Venus hell leuchtet, denken manche, ist das ein Ufo oder kündigt sich der Weltuntergang an? Aber wir sind geübt, den Leuten die Angst zu nehmen und die beobachteten Himmelsphänomene auch zu erklären.

Woher kommt diese Untergangs-Lust der Menschen?
Dinge, mit denen der Mensch keine Erfahrung hat – und mit Weltuntergängen hat man halt keine – machen unsicher. Und das Weltall ist für die meisten etwas Fernes und Unbegreifliches. Daher sind viele Dinge darin auch mit Mystischem und Religiösem konnotiert. Vor allem Dinge, die von der Stabilität der Himmelsabläufe – Sonne geht auf, Mond geht auf – abweichen. Sonnenfinsternisse zum Beispiel, oder ein Komet, der früher auch als Unglücksbote galt.

Außer zu den Heiligen Drei Königen. Und bei Sternschnuppen darf man sich etwas wünschen.
Die sind ja auch nur Reste von Kometen, ihre Dreckspur sozusagen, durch die die Erde durchfliegt.

Apropos: Wenn wir schon nicht jetzt untergehen, dann irgendwann durch einen Kometen?
Die Menschheit oder Teile der Zivilisation könnten prinzipiell durch einen Kometeneinschlag schon stark beeinträchtigt werden.

Wie vor 65 Millionen Jahren.
Ja, so etwas kann das Klima dramatisch verändern, Arten sterben lassen. Eine globale Zerstörung der Erde ist durch so vergleichsweise kleine Körper aber nicht möglich.

Aber uns fliegt doch jeden Tag etwas aus dem All auf den Kopf?
Genau. Pro Tag fallen einige zehn Tonnen Material auf die Erde.

Autsch! Und wie groß sind die Trümmer?
Im Submillimeter-Bereich bis zu einigen Zentimetern. Das meiste erreicht aber nie den Erdboden. Es verglüht schon in der Atmosphäre.

Und was durchkommt?
Da gibt es auch schon Größeres. Körper, die ursprünglich mehr als etwa zehn Meter groß sind, können in Bruchstücken auch die Erde erreichen, und diese Fragmente können einige Kilos wiegen.

Wie viele kommen davon auf der Erdoberfläche an?
Etwa 500 im Jahr.

Nochmal autsch.
Aber die Erde ist groß und relativ leer. Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, ist wesentlich größer. Ein Körper größer als 50 Meter trifft die Erde alle 1000 Jahre – der verwüstet dann schon einige Quadratkilometer. Aber die kennen wir mittlerweile gut, weil der Himmel ununterbrochen überwacht wird. Wir verfolgen ihre Bahnen und wissen ziemlich genau, wann und wo einer kommt. Je größer, desto früher wissen wir es, Jahre vorher. Wenn ein wirklich großer käme, einer der zivilisatorisch relevant ist, hofft man, ihn ablenken zu können. Daran wird gearbeitet, erste Versuche mit Geschoßen gab’s schon. Es reicht eine minimale Ablenkung, weil die Erde ja klein und schwer zu treffen ist.

Also auch nix mit Untergang durch Kometen. Was ist mit dem gefährlichen Gammablitz durch explodierende Sterne?
Wenn ein Stern stirbt, stirbt er spektakulär. Da wird so intensive Strahlung frei, wie die Milliarden Sonnen einer ganzen Milchstraße zusammen haben. Aber das passiert a) nicht plötzlich, und b) müsste es in unserer kosmischen Nachbarschaft sein ...

Kein Komet in Sicht
Und da ist kein Stern so sterbenskrank?
Genau, in den nächsten Millionen Jahren mit Sicherheit nicht.

Na und der Zusammenstoß von Galaxien? Droht uns da Gefahr?
Nein, weil unsere in absehbarer Zeit auf keine andere zusteuert. Erst in vier Milliarden Jahren „besucht“ uns die Andromeda-Galaxie. Und selbst wenn, liegen die Sonnen so weit auseinander, dass sich zwei Galaxien durchdringen würden, ohne dass viel passiert.

Aber der Klimawandel bringt die Erde letztlich um, oder?
Der kann die Bedingungen auf der Erde ändern. Aber der von Menschen verursachte Klimawandel kann sie nicht so verändern, dass die Menschheit in ihrer Existenz gefährdet wäre – der verursacht soziale Probleme, Küstengebiete werden durch einen höheren Meeresspiegel nicht bewohnbar. Vergleichbare Klimawandel haben wir in der Vergangenheit x-mal überlebt ...

Und die waren nicht menschgemacht, sondern dafür war die Sonne zuständig, oder?
Genau, es gibt Klimazyklen, die mit der Sonnenaktivität und der Erdbahn zu tun haben, Eiszeiten und Warmzeiten zum Beispiel.

Was bringt die Erde dann um?
Die langfristige Sonnenentwicklung. Die Sonne verstärkt seit ihrer Geburt vor viereinhalb Milliarden Jahren ihre Leuchtkraft.

Sie wird heißer?
Ja, und es gibt einen Wohlfühlbereich für einen Planeten, es darf nicht zu kalt und nicht zu heiß sein. Über 100 Grad Celsius gibt es kein flüssiges Wasser mehr. Und was die Bewohnbarkeit der Erde betrifft, sind wir schon weit über die Halbzeit hinaus. Einfaches Leben auf der Erde gibt es seit mehr als drei Milliarden Jahren, komplexes Leben seit 500 Millionen. Und in einigen 100 Millionen Jahren wird es komplexes Leben nicht mehr geben, Mikrolebewesen in einer Milliarde nicht mehr.

Aber die Erde gibt’s dann noch.
Das ist noch ungewiss. Die Sonne wird nicht nur heißer, sie dehnt sich auch aus. Merkur und Venus werden in sechs Milliarden Jahren von der Sonne verschlungen, und irgendwann die Erde auch.

Die Sonne dehnt sich um 150 Millionen Kilometer aus? Also doch: Weltuntergang.
Na ja, wenn die Sonne pulsiert, verliert sie auch an Masse. Sie bläht sich zwar auf, wird aber leichter. Und durch die geringere Masse verändern sich die Planetenbahnen, sie wandern weiter hinaus. Nach momentanem Forschungsstand sieht es so aus, dass die Erde fast gleich schnell wegwandert von der Sonne, wie die sich ausdehnt.

Wieder überlebt?
Zumindest der ausgeglühte Körper Erde überlebt. Unser Leben gibt’s da längst nicht mehr.

Da heißt’s, bis dahin viele Weihnachten zu genießen. Frohen Einkauf am Freitag, und danke für das Gespräch.

Zur Person: Der Sternengucker

1963 im Waldviertel geboren, ist Professor am Institut für Astrophysik der Universität Wien, das er von 2009 bis 2011 auch leitete. Er lehrt dort seit mehr als zehn Jahren beobachtende Astrophysik. Seine Forschungsgebiete umfassen vor allem die Spätstadien der Sternenentwicklung, die Entwicklung astronomischer Instrumente sowie Wissenschaftsgeschichte.

Der Astronom, der unter anderem auch die Weltraumbehörde ESA und die Europäische Kommission berät, war auch in Chile, Spanien, Schweden und Frankreich tätig. Er beschäftigt sich zudem mit interdisziplinären Projekten der Astronomie in Verbindung mit Philosophie, Kunst und Theologie und vermittelt die Faszination der „himmlischen Wissenschaften“ in Ausstellungen, Führungen, populären Vortragsreihen sowie in Radiobeiträgen.

Umfragen zufolge halten es nur ganze vier Prozent der Bevölkerung für möglich, dass der Worst Case am Freitag, dem 21. Dezember, eintritt und die Welt untergeht. Dabei ist die Geschichte von der Maya-Prophezeiung oder dem endenden Kalender ein hanebüchener Unsinn – was immerhin 96 Prozent der Österreicher auch so sehen. Zu Recht, denn – abseits aller Esoterik – geht einfach ein Zeitzyklus zu Ende, und der Kalender springt wieder auf Anfang zurück.

Aber nehmen wir eine Sekunde lang an, am 21. ist wirklich der Weltuntergang los. Ist deswegen schon alles vorbei? Nicht unbedingt, wenn man dem Apokalypse-Experten und Sachbuchautor Thomas Grüter glauben darf (siehe Seite 18 unten), „denn zu einer apokalyptischen Katastrophe gehört fast immer der Erlösungsaspekt. Wer es verdient hat, wird gerettet.“

Wer sich selbst also zu den Rechtschaffenen zählt, hat allen Grund, auf ein Fest zu gehen. Ein Mitglied der eigens gegründeten Facebook-Gruppe „Weltuntergangsparty“ schreibt so: „Gott sei Dank ist der 21. 12. ein Freitag, dann kann ich nochmal abfeiern :D (= großer Grinser, Anm.). Haben die Mayas gut mitgedacht.“ Ein anderer junger Herr liked den Abbruch ebenfalls: „So what! Let’s party! Werde am nächsten Tag mit Hangover in einer anderen Galaxy erwachen.“

Armageddon in Wien

In Österreich steigen landauf-landab Events und Partys am vermeintlich finalen Tag. In der Szene Wien wird das „Armageddon“ mit Metall-Klängen erwartet, im Wiener Fluc gibt es ein „End of the World Special“. Auch in der Cselley Mühle im nordburgenländischen Oslip, in der Mehrzweckhalle Irnfritz in Niederösterreich oder im Club Estate in Wiener Neustadt wird trotz des drohenden Untergangs getanzt. Weniger ausgelassen geht man es in Graz an: Dort lesen sieben Autoren aus ihren Endzeitromanen – „Weltuntergang Live!“ heißt die Veranstaltung. Im Wiener Stadtsaal geben der neue Salzburger Jedermann, Cornelius Obonya, und Schauspielerin Katharina Straßer einen Liederabend zum Besten – Motto: „Best of Apocalypse“. Im Theater am Steg in Baden steht der „Maya Time Code“ auf dem Programm, ein „Balanceakt zwischen archaischer Mythologie und pechschwarzem Humor“.

Startrampe unterm Berg

Klingt alles ein bisserl verrückt, ist aber harmlos, wenn man schaut, was sich international abspielt: Das Dorf Bugarach in den französischen Pyrenäen musste behördlich gesperrt werden, weil die Sekten-Kommission einen Ansturm von Endzeit-Fanatikern befürchtet. Unter der langen Bergkante soll sich eine Startbahn für Außerirdische befinden, so die haarsträubende Theorie, Auserwählte dürfen dort abheben.

Die Hotels und Pensionen der Region sind ausgebucht, und das Interesse der Endzeitjünger verspricht gute Geschäfte. Eine Wohnung mit vier Zimmern wird für 1500 Euro Miete angeboten – pro Tag. Ein Zeltplatz ist für gar nicht wohlfeile 450 Euro pro Tag zu ergattern, „Heilwasser“ aus einer Quelle gibt es für 15 Euro pro Flasche. Den Vogel abgeschossen hat aber wohl der Verlag Edilivre: Für 6666 Euro kann, wer will, das Paket „Ewigkeit“ erwerben. Die Memoiren des Käufers werden dafür in einem Bunker verwahrt. Laut Angaben des Verlags haben bereits 10.000 Menschen weltweit eines dieser Pakete gekauft.

Geht die Rechnung auf?

Kein Komet in Sicht
Wenn die Welt am kommenden Samstag noch steht, könnte das neben einem Kater auch andere Konsequenzen haben, zum Beispiel für Abonnenten des Hefts „2012 – Das vielleicht letzte Magazin der Welt“ – ihre Rechnung wird am 22. 12. fällig.

3sat widmet sich heute dem Thema Untergang und macht sich mit Blick auf die Untergangsszenarien am 21.12. in Dokus und Filmen Gedanken zum Endzeitfieber. Schon um 14 Uhr kommen „Die Außerirdischen – Mythos und Wahrheit“. Um 16.15 Uhr orakelt Nostradamus und um 17 Uhr wird die bange Frage „Geht die Welt unter?“ gestellt. Um 20.15 Uhr kommt „Das Ende der Zukunft “, um 21 Uhr der „American Collapse“ und um 21.45 Uhr die Frage „Was wird bleiben?“. Um 23 Uhr darf noch gelacht werden mit der Science-Fiction-Parodie „Dark Star – Finsterer Stern“. Danach ist Schluss mit lustig, es folgen 20 Minuten Richard Strauss: „Also sprach Zarathustra“ . Kurz vor Mitternacht bleibt der Bildschirm eine ganze Minute schwarz.

Am Montag um 20.15 Uhr blickt „SPIEGEL TV Österreich“ auf Puls 4 auf die großen Katastrophen des letzten Jahrzehnts zurück. Anschließend wird bei Pro und Contra über den „Weltuntergang diskutiert: „Kommt der große Crash?“. Freitag, 20.15 Uhr, zeigt das ZDF den Weltuntergang „live“.

Kein Komet in Sicht
"Das Ende der Zukunft", Geht es nach den Prognosen des Mayakalenders und esoterischer Apokalyptiker, wird es am 21.12.2012 ziemlich ungemütlich. An diesem Tag steht uns nämlich der Weltuntergang bevor: Kollision mit dem Planeten Nibiru, zusätzlich Polsprung, Erdmantelverschiebung und Ausbruch des Supervulkans im Yellowstone-Park. Doch die Erfahrung zeigt, dass keiner der unzähligen, im Lauf der Geschichte prophezeiten Untergänge tatsächlich eingetreten sind. Dennoch wollen Menschen immer wieder an die Katastrophe glauben und lauschen gebannt allen Arten von Unheilsverkündungen. Was ist so faszinierend an der Apokalypse? Warum malen wir die Zukunft so gerne schwarz anstatt sie positiv zu sehen? Eine Dokumentation von Wolfgang Stickler SENDUNG: 3sat - SO - 16.12.2012 - 20:15 UHR. - Veroeffentlichung fuer Pressezwecke honorarfrei ausschliesslich im Zusammenhang mit oben genannter Sendung oder Veranstaltung des ORF bei Urhebernennung. Foto: ORF/Cinevison. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Wuerzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606

Für ihn ist 2012 ein Jahr wie jedes andere auch: Thomas Grüter, Autor von Faszination Apokalypse (Scherz Verlag, 19,50 €): „Ich betone dann immer, dass der Maya-Kalender am 21. Dezember nicht abbricht, sondern umspringt, ähnlich wie der westliche Kalender von 1999 auf 2000. Von einer Weltende-Prophezeiung kann keine Rede sein.“ Die Idee, die sich so hartnäckig hält, stamme aus einem esoterischen Buch aus den 1980er-Jahren. „Tatsächlich ist es schlicht Blödsinn.“

Dennoch: Die Apokalypse zieht die Menschen in ihren Bann: „Sie wirft uns auf den Kampf um unsere bloße Existenz zurück. Das erzeugt große Gefühle.“ Eines dieser Gefühle ist die Hoffnung auf Erlösung. Heimlich rechnet jeder damit auch die schlimmste Katastrophe heil zu überstehen. „Sie sagen sich: Ich werde gerettet werden, weil ich wichtig bin.“ Diese Selbstüberschätzung ist sogar gesund, meint Grüter. Es sei ein typisches Zeichen für Depression, sich selbst für unwichtig und überflüssig zu halten.

Darüber hinaus ist der regelmäßige Hype um den nächsten Weltuntergang ein Zeichen der Naturentfremdung in der Industriegesellschaft. Grüter, zivilisationskritisch: „Den frühen Nomaden war klar, dass ihr Leben jederzeit enden kann, damit musste man sich arrangieren. Damit ist es in der westlichen Welt vorbei. Man hat den Tod verdrängt. Im Westen haben die Leute die Illusion ewig zu leben.“
Next Weltuntergang

Wenn man im Internet nachschaut, findet man für fast jeden Tag den nächsten Weltuntergang angekündigt, das nächste Datum, das sich auf einen Prominenten berufen kann, ist 2060. Isaac Newton hat es berechnet. 1260 Jahre nach dem Jahr 800, als mit der Krönung des Frankenkönigs Karl in Rom das erste christliche Kaiserreich errichtet wurde . Danach gehe eine Epoche zu Ende, meinte Newton, und am Ende dieser Epoche könnte der Weltuntergang jederzeit stattfinden.

Kein Komet in Sicht

Kommentare