Außenministerin Kneissl: "Freue mich auf die Türkei"

Karin Kneissl ist klar gegen einen EU-Beitritt der Türkei
Österreichs Chefdiplomatin reist Ende Jänner in die Höhle des Löwen und hofft auf einen "Neuanfang" der Beziehungen.

Es war ein übler Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen. Weil die damalige österreichische Bundesregierung gegen Auftritte von türkischen Politikern (vor dem Verfassungsreferendum im Frühling des Vorjahres) war, schossen Politiker in Ankara aus allen Rohren Richtung Wien. Das gipfelte in einem Tweet von Burhan Kuzu, Berater des türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan. "Verpiss dich", twitterte er dem damaligen Kanzler Christian Kern (SPÖ) zu.

Seither haben sich die Wogen etwas gelegt, doch es "wurde viel Porzellan zerschlagen", sagt Außenministerin Karin Kneissl im KURIER-Gespräch. Dieses will sie nun wieder kitten. Ende Jänner, vermutlich am 25., reist sie in die Höhle des Löwen: "Ich glaube, dass es zu einem Neuanfang kommen kann." Sie wolle auf jeden Fall den "Dialog forcieren, denn ohne den geht gar nichts".

"Gegenseitiger Respekt"

Woher der Optimismus? "Ich hatte bereits ein atmosphärisch sehr angenehmes, höfliches, von gegenseitigem Respekt geprägtes (Telefon-)Gespräch mit meinem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu", betont Kneissl, "ich freue mich auf die Türkei, die ich oft und gerne bereist habe, in dieser neuen Funktion besuchen zu dürfen."

Tatsächlich sandte auch Erdoğan zu Jahresbeginn sanfte Töne nach Europa, vor allem nach Deutschland, das ebenso im Clinch mit dem "Sultan" liegt. In der Sache allerdings dürften Kneissl schwierige Gespräche bevorstehen. Denn Ankara drängt weiterhin massiv auf einen Beitritt zur EU als vollwertiges Mitglied. Mevlüt Cavusoglu: "Wir haben keine Geduld mehr, und unser Volk hat auch keine Geduld mehr."

Nein zu EU-Beitritt

Für die neue österreichische Chef-Diplomatin ist das aber kein absolut Thema: "Es gibt im Regierungsabkommen eine klare Haltung, und hinter der stehe ich auch!" Konkret heißt es dort in der entsprechenden Passage: "Keine Zustimmung zu einem EU-Beitritt der Türkei. Verbündete zur Erreichung des endgültigen Abbruchs der EU-Beitrittsverhandlungen zugunsten eines Europäisch-Türkischen Nachbarschaftskonzeptes werden gesucht."

Diese Linie hatte Kneissls Vorgänger als Außenamtschef, der heutige VP-Kanzler Sebastian Kurz, vorgegeben. Er hatte sich damals dafür ausgesprochen, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vor allem wegen der Verletzung der Presse- und Meinungsfreiheit, auch auf den Hochschulen, nach dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 zumindest auf Eis zu legen – war aber im Rat der EU-Außenminister weitgehend isoliert geblieben.

"Großes Bedauern"

Kneissl, die von der FPÖ als parteilose Ministerin ins Rennen geschickt wurde, fühlt sich diesem Kurs weiter verpflichtet: "Ich verfolge mit großem Bedauern, wie mit Regierungskritikern umgegangen wird. Als jemand, der selbst im universitären Bereich und als Autorin tätig war, erachte ich vor allem die Freiheit der Lehre als hohes Gut, das weltweit und zu allen Zeiten der Geschichte geschützt werden muss. Dies mit EU-Verhandlungen zu junktimieren, ist gängige Praxis."

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