Ausreiseverbote für Alternativ-Nobelpreisträger

Die ägyptische Frauenrechtlerin Mozn Hassan und Vertreter der türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet können die Auszeichnung nicht entgegennehmen.

Repräsentanten von zwei der diesjährigen Preisträger des Right Livelihood Awards (Alternative Nobelpreise) ist heuer die Entgegennahme der Auszeichnung von ihren jeweiligen Regierungen unmöglich gemacht worden. Gegen die ägyptische Frauenrechtlerin Mozn Hassan wurde ein Ausreiseverbot verhängt, die gesamte Führungsriege der türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet befindet sich in Haft.

Während mit den Kolumnen-Schreibenden Isil Özgentürk und Zeynep Oral (auch Präsidentin des türkischen P.E.N.-Vereins) immerhin zwei Vertreterinnen für den Empfang des Preises nach Stockholm gebracht werden konnten, sei geplant, die Verleihungsurkunde für Mozn Hassan am Freitagabend lediglich symbolisch im Protest hochzuhalten, sagte Right-Livelihood-Stiftungsvorsitzender Ole von Uexküll in Stockholm.

Die Übergabe der vier Preise im Gesamtwert von drei Millionen Kronen (307.194,50 Euro) findet heuer erstmals nicht im Schwedischen Parlament statt, sondern im Vasa-Museum. Neben Hassan und der Zeitung Cumhuriyet erkor eine internationale Jury 2016 auch die freiwillige syrische Rettungsorganisation White Helmets (Weißhelme) und die russische Menschenrechtsaktivistin Swetlana Gannuschkina zu Preisträgerinnen.

"Mit zweierlei Maß gemessen"

Ole von Uexküll hält einen politischen Hintergrund für das Ende der Vergabetradition in den Räumlichkeiten des Reichstags (Riksdagen) in Stockholm nicht für ausgeschlossen. Offiziell hieß es seitens des konservativen Parlamentspräsidenten Urban Ahlin, der Reichstag sei von Gesetzes wegen nicht für "Konferenzaktivitäten" vorgesehen und die bisherige Praxis somit am Verwendungszweck vorbeigegangen, dennoch werde offenbar "mit zweierlei Maß gemessen".

Von Uexkull verwies darauf, dass der sozialdemokratisch betriebene Olof-Palme Preis sehr wohl weiterhin im Reichstag verliehen werden dürfe, während die von sämtlichen Fraktionen unterstützten Right Livelihood Awards mit der Kompromisslösung Vasa-Museum konfrontiert seien. Gut informierten Kreisen in Stockholm zufolge hatte Parlamentspräsident Ahlin unlängst Kontakt zu Vertretern einer nachrichtendienstlichen US-Behörde, was einen Zusammenhang mit der Preisvergabe an den US-Whistleblower Edward Snowden vor zwei Jahren für möglich erscheinen lässt.

Ahlin sende in Zeiten, in denen die Zivilgesellschaft immer mehr in Bedrängnis gerät, jedenfalls ein "falsches Signal" in die Welt, sagte Von Uexküll. Schweden habe bisher nicht zu jenen Ländern gezählt, in denen die Gesetze für NGOs und unabhängige Hilfsorganisationen immer restriktiver würden. Beispiele seien neben der Türkei auch Russland und Ägypten, alle drei Heimatländer diesjähriger Preisträger.

Syria Civil Defense, bekannt als die Weißhelme (Syrien):
Seit 2013 riskiert die Gruppe aus inzwischen 3000 Freiwilligen ihr Leben, um Menschen nach Bombenangriffen im syrischen Bürgerkrieg aus den Trümmern zu befreien. Damit haben die Weißhelme nach Angaben der Right Livelihood Award Stiftung mehr als 60.000 Leben gerettet. Als Feuerwehrleute, Rettungskräfte und Sanitäter ausgebildet, helfen sie auch beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und zeigen syrischen Bürgern, wie sie sich bei Angriffen schützen können. Ihr Motto: "Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Menschheit." Mehr als 100 Freiwillige haben bei den Rettungsaktionen selbst ihr Leben verloren. Das syrische Regime wirft den Weißhelmen vor, mit Extremisten verbunden zu sein, was die Organisation zurückweist.

Mozn Hassan und die Organisation "Nazra für feministische Studien" (Ägypten):
Die 1979 geborene ägyptische Feministin Mozn Hassan gründete 2007 die Organisation "Nazra für feministische Studien". Inzwischen 20 Mitarbeiter stark, hat "Nazra" es sich zur Aufgabe gemacht, die Rechte von Frauen in Ägypten und dem ganzen arabischen Raum zu stärken. Hassan dokumentiert sexuelle Übergriffe und hilft den Opfern medizinisch, psychologisch und juristisch. Im Zusammenschluss mit anderen Frauenorganisationen hat sich "Nazra" laut der Stiftung 2014 erfolgreich für die Aufnahme der Frauenrechte in die ägyptische Verfassung eingesetzt und die Ausweitung der Definition sexueller Straftatbestände im Strafgesetzbuch erreicht. Außerdem unterstützt Hassan Frauen bei ihrer Kandidatur für politische Ämter.

Swetlana Gannuschkina (Russland):
Die Russin Swetlana Gannuschkina - eine ausgebildete Mathematikerin - setzt sich schon seit 26 Jahren mit ihrer Organisation Civic Assistance Committee für Migranten und Binnenvertriebene ein. Nach Angaben der Stiftung hat sie bis heute mehr als 50 000 Menschen zu rechtlicher Unterstützung, humanitärer Hilfe und Bildung verholfen. In zahlreichen Fällen hat Gannuschkina verhindert, dass Flüchtlinge aus zentralasiatischen Ländern dorthin zurückgeschickt wurden und sie so vor Haft und Folter bewahrt. Auch dass das Geflüchtetenrecht geändert wurde und zwei Millionen Menschen die russische Staatsbürgerschaft erhielten, ist laut der Stiftung Gannuschkina und ihrem Engagament im russischen Menschenrechtsrat zu verdanken.

Cumhuriyet (Türkei):
Obwohl die Mitarbeiter der türkischen Zeitung Cumhuriyet Attentaten, Haft und Morddrohungen ausgesetzt gewesen sind, berichten sie nach Einschätzung der Stiftung seit 1924 frei und unabhängig über die Geschehnisse in der Türkei. "Der herausragende investigative Journalismus der Cumhuriyet hat viele Wahrheiten ans Licht gebracht", schreibt die Stiftung. Die Zeitung mit einer Auflage von 53 000 Exemplaren ist seit 1993 als Stiftung registriert und finanziert sich hauptsächlich über ihre Leser. Fünf Mitarbeiter der Zeitung sind im Laufe der Jahre ermordet, etliche vor Gericht gestellt worden. Der ehemalige Chefredakteur Can Dündar wurde wegen brisanter Enthüllungen seiner Zeitung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Inzwischen lebt er in Deutschland. Zehn Cumhuriyet-Mitarbeiter sitzen wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft, darunter Chefredakteur Murat Sabuncu.

Kommentare