Auf Obama pfeifen, auf Trump warten

Barack Obama und Wladimir Putin
Putin verzögert Vergeltung in "Hacker-Gate". Trump lobt dafür den Kreml-Chef.

So viel Herzensgüte zeigt in Russland um diese Jahreszeit sonst nur Weihnachtsmann "Väterchen Frost". Präsident Wladimir Putin schaltete sich am Freitag persönlich in die eskalierende Krise um russische Hackerangriffe auf die USA ein – und pfiff seinen Außenminister Sergej Lawrow zurück. Der hatte nämlich schon konkret die Ausweisung von US-Diplomaten aus Russland angekündigt. Dazu kursierten in zahlreichen westlichen Medien auf einmal Berichte, die russische Regierung werde sogar die Amerikanische Schule in Moskau zusperren lassen. "Wir werden niemanden ausweisen", erklärte Putin und sprach zu den beschwichtigenden Worten gleich eine Einladung aus. Die amerikanischen Diplomatenkinder seien zu den russischen Weihnachten – also zu Heilig-Drei-König – im Kreml ganz herzlich willkommen. Der designierte US-Präsident Donald Trump reagierte prompt: Das sei ein großartiger Zug, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. "Ich habe immer gewusst, dass er (damit ist wohl Putin gemeint) sehr klug ist."

Russische Residenzen gesperrt

Dass Russland, ungeachtet Putins demonstrativer Gelassenheit, diplomatische Maßnahmen setzen wird, scheint unausweichlich. Zu massiv war am Donnerstag der diplomatische Großangriff aus Washington, mit dem die scheidende Obama-Regierung weltweit für Aufsehen sorgte. Der Präsident persönlich kündigte die Sanktionen gegen Russland an. So werden 35 russische Diplomaten, die Obama als Geheimagenten bezeichnete, aus den USA ausgewiesen. Sie müssen das Land noch am Wochenende verlassen. Außerdem werden zwei diplomatische Niederlassungen der russischen Botschaft in den USA – in New York und in Maryland bei Washington – gesperrt. Die Gebäude, offiziell Ferien-Residenzen für Diplomaten, seien für Spionage-Aktivitäten benützt worden.

Befehle kamen angeblich vom Kreml

Obama bezieht sich auf einen Bericht des Heimatschutzministeriums gemeinsam mit dem FBI. Darin werden noch einmal die ohnehin schon vor Monaten erhoben Vorwürfe gegen Moskau ausgeführt. Russlands Militärgeheimdienst habe von langer Hand vorbereitete Hacker-Attacken gegen die Demokratische Partei und Hillary Clintons Wahlkampfteam geführt. Die Befehle dafür seien direkt vom Kreml gekommen. Mit den gestohlenen Informationen habe man den US-Präsidentschaftswahlkampf beeinflusst.

Russland hat diese Vorwürfe stets als unbegründet zurückgewiesen. Auch jetzt sprach Außenminister Sergej Lawrow von "haltlosen" Anschuldigungen. Deutlich härter die Reaktion der Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa. Die Obama-Regierung sei eine Gruppe außenpolitischer Versager, "böse und beschränkt". Nach acht Jahren ohne weltpolitische Erfolge schaffe man es nicht einmal, einen eleganten Punkt zu setzen, sondern nur einen "fetten Fleck".

Doch abgesehen von solchen verbalen Schnellschüssen will man sich in Moskau eigentlich nicht mehr mit der scheidenden Obama-Regierung auseinandersetzen. Drei Wochen noch, dann wird dieser Trump nachfolgen – und von dem erwartet man sich einen grundlegenden Kurswechsel.

Trumps zukünftiges Kabinett ist großzügig mit Freunden Russlands besetzt, allen voran der Präsident selbst, der ja Putin schon im Wahlkampf als starken Führer bezeichnet hatte, und Außenminister Rex Tillerson, der als Chef des Energie-Riesen Exxon-Mobil beste geschäftliche Kontakte mit Russland gepflegt hat. Der designierte Präsident hat bereits deutlich gemacht, dass ihm gute Beziehungen zu Russland sehr wichtig seien. Die Empörung über die russischen Hackerangriffe hat Trump immer zu beschwichtigen versucht.

Entsprechend verlegen reagierte er auch zuletzt. Auf mögliche Gegenmaßnahmen angesprochen, meinte er nur, das Leben sei durch Computer viel komplizierter geworden, alles funktioniere schneller, "aber ich bin mir nicht sicher, ob wir noch die Sicherheit haben, die wir brauchen"

Republikaner fordern Vergeltung

Doch die wachsende Empörung, auch in der eigenen Partei, setzt auch Trump politisch unter Druck. So spricht etwa der einflussreiche Senator John McCain von Putin offen als "Verbrecher und Schläger", den man in die Schranken weisen müsse. Trump, der noch am Donnerstag vorgeschlagen hatte, "einfach ganz normal weiterzumachen", will sich kommende Woche von den Geheimdiensten über die Hacker-Angriffe informieren lassen.

Ein Wahlsieg von Gnaden Moskaus und seiner Spione. Wenn Obama eine Strategie ausgetüftelt hätte, um die Präsidentschaft seines Nachfolgers von Beginn an windschief, wenn nicht illegitim erscheinen zu lassen: Eine bessere, als jene, die ihm der Kreml vorgelegt hat, wäre dem scheidenden Amtsinhaber wohl nicht eingefallen. Die mäßig aufregenden Entdeckungen russischer Hacker (Hillary Clinton ist für internationale Handelsabkommen, Huch!), von Trump im Wahlkampf zu Verschwörungstheorien aufgeblasen, haben dem Milliardär vielleicht entscheidende Stimmen , sicher aber seine erste politische Krise eingebracht. Putin-Anhänger Trump erbt einen ausgewachsenen politischen Krieg mit Moskau. Den jetzt mit einer Russland-freundlichen Regierung unter den Tisch zu kehren, wird nicht funktionieren. Zu heftig ist nicht nur die öffentliche Empörung in den USA, zu laut sind auch die Rufe in der eigenen Partei, Russland endlich aggressiver zu begegnen. Wenn Republikaner-Falken nach neuen Sanktionen, nach Waffen für die Ukraine und Krieg gegen Syriens Assad-Regime rufen, wird das mit dem neuen Freund Putin vorerst nichts.

Eine Jagd nach den besten Köpfen nannte Russlands Verteidigungsminister Sergej K. Shojgu schon 2012 seine Pläne für den Cyberkrieg. Damals habe man begonnen, Spezialisten für die Geheimdienste zu rekrutieren: In großen Software-Firmen, an Universitäten, aber auch in der illegalen Hacker-Szene, wie die New York Times in einer tief greifenden Recherche festgestellt hat. "Hacker, die Probleme mit dem Gesetz haben" standen – so gestanden Mitarbeiter des Ministeriums offen ein – ganz oben auf der Wunschliste für die Teams, die man zusammenstellen wollte.

Drei Jahre später, der US-Vorwahlkampf hatte gerade begonnen, waren diese Teams tief in die Server der Demokratischen Partei und Hillary Clintons Team vorgedrungen. Dreist wandte man sich dort unter dem Namen eines Systemtechnikers an Mitglieder der Parteiführung, kam so zu deren Passwörtern und damit tief in die Datenbanken. Mit den gestohlenen Informationen – etwa den eMails von Clintons Kampagnenchef John Podesta – wurde dann die Aufdecker-Plattform Wikileaks beliefert.

Die US-Geheimdienste kamen bald auf die Spur der Eindringlinge. Namen der Hacker-Teams wie "Die Fürsten", "Bauernsturm" oder "Plüschbär" tauchen regelmäßig in Berichten auf, ihre Angriffe werden als "fortgeschrittene andauernde Bedrohung" klassifiziert. Gegenmaßnahmen leitet man allerdings nur zögerlich ein. In einem Bericht des US-Heimatschutzministeriums führt man die Angriffe auf die russische Regierungsspitze zurück. Konkrete Beweise dafür aber fehlen.

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