Atomabkommen in Gefahr: Europa will Trump stoppen

Atomabkommen in Gefahr:  Europa will Trump stoppen
In drei Wochen wird Trump über das Atomabkommen mit Iran entscheiden. Die Zeichen stehen auf Kündigung, Europa sucht Kompromiss.

Vier bis sechs Wochen – nur so kurze Zeit hätte der Iran vor Abschluss des Nuklearabkommens 2015 benötigt, um mit seinem damals verfügbaren Material eine Atombombe zu bauen.

Heute würde der Iran mindestens ein Jahr brauchen. So schildert es ein mit den Atomabkommen bestens vertrauter Experte dem KURIER in Brüssel. Er bestätigt: Seit Inkrafttreten des mühsam errungenen Vertrages 2015 hat der Gottesstaat seine Zentrifugen von 20.000 Stück auf 5000 reduziert. Einst zehn Tonnen angereichertes Material wurden auf die genehmigte Obergrenze von 300 Kilogramm gesenkt. „Darüber hinaus ist der Inspektionsaufwand durch die Internationale Atomenergiebehörde für den Iran höher als für jedes anderes Land der Welt“, meint der Experte, dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden darf.

Schlechtester Deal!

US-Präsident Donald Trump reicht dies jedoch alles nicht. Das Nuklearabkommen sei der „schlechteste Deal aller Zeiten“, wettert er ständig. Seine Drohungen, die USA würden sich aus dem unter Präsident Obama abgeschlossenen Vertrag zurückziehen, scheint er nun wahr zu machen. Das bedeutet: Derzeit sind die massiven Sanktionen der USA gegenüber dem Iran nur ausgesetzt. Alle vier Monate wurde diese Regelung erneuert. Doch wie europäische Verhandler im Hintergrund angesichts der extrem rauen Tonlage aus Washington erwarten, dürfte Trump im Mai Ernst machen: Die USA könnten aus dem Atomabkommen aussteigen.

Einer der größten diplomatischen Erfolge, einen Konflikt von unabschätzbarer Tragweite zu verhindern, wäre gescheitert. „Ich könnte jeden Tag verzweifeln“, sieht der Iran-Experte in Brüssel den Trump-Daumen zum Iran-Abkommen schon nach unten drehen.

Europa verhandelt

Doch zum Verzweifeln bleibt keine Zeit, in höchster Eile verhandeln derzeit Frankreich, Deutschland und Großbritannien mit den USA. Mit einer Sondervereinbarung hoffen die Europäer, Trump von der Kündigung des Abkommens abhalten zu können. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte bei seinem Staatsbesuch in Washington gestern noch einmal nachstoßen. Ein Punkt dieses Parallelvertrages, der Trump beschwichtigen soll, lautet demnach: Auch nach Ende der Laufzeit des Nukleardeals darf der Iran keine militärische Atommacht werden.

In Europa fürchtet man bei einem Ende des Atomabkommens einen fatalen Rüstungswettlauf der Staaten im Nahen Osten um nukleare Bewaffnung. Schwer treffen würde Trumps Vorgehen aber auch die europäischen Unternehmen im Iran.

Für den Experten in Brüssel, der den Iran bestens kennt, steht aber schon jetzt so gut wie fest: „Auch wenn die Europäer noch so sehr versuchen, den Iran nach einem Ausstieg der USA im Abkommen zu halten, wird das nicht passieren. Der Iran wird wieder Nuklearaktivitäten aufnehmen. Man darf ja nicht vergessen: Es gibt ja auch im Iran genügend Gegner des Abkommens.“

Teheran entschlossen

Dort wächst angesichts der US-Drohungen der Unmut über das Atomabkommen. Vor allem weil die ausgehandelten wirtschaftlichen Erleichterungen für das unter Sanktionen leidende Land bisher nicht bei den Unternehmen, Firmen und Bürgern angekommen sind.

Sollten also die USA den Vertrag aufkündigen, scheint auch Teheran entschlossen, sein Atomprogramm mit vollem Tempo anzuwerfen, wie hochrangige Vertreter des Iran dem KURIER bestätigen: „Kein multilaterales Abkommen kann überleben, wenn eine Partei aussteigt.“

Staatspräsident Rohani hat in einer TV-Ansprache vor wenigen Tagen offene Drohungen an die USA gerichtet. „Ich sage denen im Weißen Haus, wenn sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, werden wir entschlossen reagieren.“

In einer großen Militärparade in Teheran vor wenigen Tagen ließ man vorrangig das rundherum erneuerte und vergrößerte Arsenal an Raketen auffahren. Diese Waffen stehen im Brennpunkt des aktuellen Konflikts. Betrachten die USA sie doch als Bruch aller geltenden Abkommen. Der Iran aber erklärt sie als notwendig für seine Verteidigung. Sei man doch von Nachbarstaaten umgeben, die „alle Arten von Waffen angehäuft haben, großzügig und skrupellos geliefert von den USA und einigen EU-Staaten“. Zurückstecken will man in diesem Konflikt jedenfalls vorerst nicht, wie ein iranischer Diplomat deutlich macht: „Iran ist auf alles vorbereitet, und wir wissen, wie wir unsere nationalen Interessen verteidigen.“

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