Athen: "Bruch" mit Moskau vermeiden

Nikos Kotzias bei seinem ersten Ministertreffen in Brüssel
Keine neuen Sanktionen, bestehende Visa- und Konto-Sperren verlängert.

Er ist der Mann, der hier heute im Mittelpunkt steht, an den sich so viele Fragen richten – doch Nikos Kotzias, der neue griechische Außenminister, hat vor seinem ersten Ratstreffen in Brüssel nicht viel zu sagen. Nur für einen Satz bleibt er auf dem Weg vom Auto ins Ratsgebäude stehen: "Griechenland arbeitet an der Wiederherstellung von Frieden und Stabilität in der Ukraine und gleichzeitig arbeiten wir daran," – hier muss Kotzias kurz auf seinen Zettel schauen – "einen Bruch zwischen der Europäischen Union und Russland zu vermeiden."

Zum Richtungsstreit der vergangenen Monate, ob die Sanktionen gegenüber Russland angesichts der Entwicklung in der Ukraine verschärft werden sollen oder nicht, ist nun mit dem Regierungswechsel in Athen ein großes Fragezeichen hinzugekommen.

Die neue Links-Rechts-Koalition in Athen unterhält gute und enge Verbindungen nach Moskau; Kotzias selbst pflegte als Politik-Professor engen Kontakt mit russischen Kollegen. Am Tag seiner Angelobung als Premier traf er den russischen Botschafter.

Moskau hilft Griechen

Für die zumindest sehr reservierte Haltung gegenüber verschärften Sanktionen inklusive ausgesprochener oder vielleicht doch nicht ausgesprochener Veto-Drohung wurde Athen am Donnerstag seitens Moskaus "belohnt": Russland hat sich grundsätzlich bereit erklärt, Griechenland finanziell zu unterstützen. Sollte eine derartige Bitte an die Regierung herangetragen werden, "würden wir das positiv prüfen", sagte Russlands Finanzminister Anton Siluanow. Das wiederum könnte Griechenland Luft bei den Verhandlungen mit der EU in Sachen Sparprogramm verschaffen.

Bei ihrem Sondertreffen kamen die Außenminister am Donnerstag nur einen kleinen Schritt weiter: Die bestehenden Konto- und Einreise-Sperren, die im März ausgelaufen wären, wurden bis September verlängert – laut Diplomaten ein Zugeständnis an Griechenland; ursprünglich hätte die Frist bis Jahresende laufen sollen. In den kommenden Tagen soll außerdem eine Erweiterung der Liste um neue Namen vorgelegt werden.

"Weitere Schritte", sprich: schärfere Wirtschaftssanktionen sollen für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs in zwei Wochen vorbereitet werden.

Ob es dann einen Beschluss für eine Verschärfung der Gangart gegenüber Moskau geben wird, ist fraglich. Die EU-Regierungen sind tief gespalten in der Frage, was weitere Wirtschaftssanktionen bewirken können.

Außenminister Sebastian Kurz hält sie "derzeit für keinen hilfreichen Schritt". Maßnahmen gegen "Personen, die für die Situation in der Ukraine Verantwortung tragen" seien "wesentlich besser". Würde Österreich neue Wirtschaftssanktionen, die nur einstimmig beschlossen werden können, im Rat blockieren? "Es geht um eine Diskussion, nicht um Veto-Drohungen", sagt Kurz. Er sieht diesbezüglich auch die neue Regierung in Athen gefordert, "sich hier einzureihen in dieses Prinzip der EU, einen Kompromiss zu suchen".

Österreichisches Schweinefleisch, tschechische Milch oder slowakisches Obst: Es sind gerade die Bauern aus Österreich und seinen zwei Nachbarländern, die derzeit unter den EU-Sanktionen gegen Russland, noch mehr aber unter dessen Gegenreaktion leiden. Man bleibt auf Tonnen von Produkten einfach sitzen. Entsprechend skeptisch zeigt man sich gegenüber dem Erfolg der derzeit verhängten Strafmaßnahmen gegen Moskau, noch mehr aber gegenüber möglichen Verschärfungen, die – wegen der Eskalation in der Ukraine – diskutiert werden.

Kanzler Faymann nützte daher ein Treffen mit seinen beiden Amts- und sozialdemokratischen Parteikollegen im mährischen Austerlitz, um eine gemeinsame Verteidigungslinie gegen die drohende Verschärfung der EU-Sanktionen zu finden.

Viele Widersprüche gab es dabei nicht aufzulösen. Der tschechische Premier Bohuslav Sobotka hat mehrfach öffentlich Zweifel an der Wirksamkeit der Sanktionen geäußert. Der slowakische Premier Robert Fico ging sogar so weit, mit einem Veto gegen weitere Sanktionen zu drohen. Wofür ihn Russlands staatlich gelenkte Medien natürlich ausführlich würdigten. Passend auch der Ort der Konferenz. Immerhin hatten dort vor 210 Jahren, in der Dreikaiserschlacht, die Heere der Habsburgermonarchie gemeinsam mit Russland gegen Napoleon gekämpft.

Vor der Presse wurde dann der österreichische Kanzler am deutlichsten. Zusätzliche oder verschärfte Sanktionen seien "bestenfalls eine Notlösung" und könnten niemals eine Friedenslösung ersetzen. Man müsse, so Faymann, die Zusammenarbeit stärken, politisch ebenso wie wirtschaftlich. Der Slowake Fico dagegen hielt sich beim Thema Sanktionen betont kurz, lobte die Diskussion zum Thema und die gemeinsame Position. Sein Resümee: "Die Sanktionen haben das Töten nicht beendet." Sobotka erwähnte lediglich, dass man sich über die Sanktionen verständigt habe.

Trotz der gemeinsamen Interessen in puncto Sanktionen wissen die NATO-Staaten Tschechien und Slowakei, wie heikel gerade derzeit die Ablehnung schärferer Sanktionen werden könnte. Innenpolitisch können alle drei Regierungschefs auf starken Rückhalt in der Frage zählen. So hat auch Vizekanzler Mitterlehner erneut betont, er sehe eine Verschärfung "relativ problematisch". Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl betont ohnehin unablässig die mangelnde Wirkung der Sanktionen und deren negative Konsequenzen für die heimische Wirtschaft.

Rüge für Griechen

Doch in der EU-Zentrale sieht man die wachsende Ablehnung härterer Sanktionen skeptisch. Die neue griechische Regierung, die ja angedroht hatte, gegen die Verschärfung ihr Veto einzulegen, wurde dafür umgehend gerügt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz etwa, der ja mit Premier Tsipras in Athen zusammentraf, warnte vor solchen "Alleingängen ohne Absprache". In Athen ruderte man rasch zurück. Dass man mit dem Veto gedroht habe, sei nur verzerrte Darstellung in den ausländischen Medien.

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