Asylpolitik: Wie in Brüssel um Geld, Grenzkontrollen und jeden Migranten gefeilscht wird

Asylpolitik: Wie in Brüssel um Geld, Grenzkontrollen und jeden Migranten gefeilscht wird
Die EU hat große Schritte in Richtung einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik gemacht. Doch hinter den Kulissen wird um jede Maßnahme im Krisenfall gerungen

Um die großen Worte und die großen Pläne ist man in Brüssel selten verlegen. Eine „europäische Antwort für ein europäisches Problem“ hat Ursula von der Leyen erst vor kurzem versprochen. Da stand sie auf der – wieder einmal – von Tausenden Menschen überrannten italienischen Insel Lampedusa.

Wie soll die Praxis aussehen?

Doch wie soll diese „europäische Antwort“ in der Praxis aussehen – und wie in den Details, von denen jedes derzeit umstritten scheint?

Ein Grundgerüst haben die EU-Innenminister zumindest gezimmert. Die Kontrolle der EU-Außengrenzen soll massiv verstärkt werden. Menschen aus Ländern, die als relativ sicher gelten und die daher nur geringe Aussichten auf Asyl haben, sollen künftig nach einem Grenzübertritt gesondert behandelt werden.

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Haftähnlich

Sie werden unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Diese Lager werden direkt an den EU-Außengrenzen eingerichtet. Dort soll dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. Dafür ist eine engere Kooperation mit jenen Ländern vorgesehen, aus denen die Menschen stammen und jene, durch die sie durchreisen. Mit Tunesien, handelt die EU-Kommission einen solchen Pakt gerade aus – schickt Geld und lässt sich dafür vom dortigen Diktator auf der Nase herumtanzen.

Was tun in der Krise?

Soweit der einigermaßen geklärte, geplante Alltag in der zukünftigen EU-Migrationspolitik. Heikler wird es dagegen wenn - so wie zuletzt Italien – ein Land in eine Flüchtlingskrise schlittert. Was darf dieses Land dann an Notfall-Maßnahmen einleiten und was darf es von den anderen Mitgliedsstaaten verlangen?

Streitfall Krisenverordnung

Eine Krisenverordnung musste her und es musste schnell gehen. Schließlich sind nächstes Jahr EU-Wahlen. Also bogen die EU-Innenminister Ende September eine Einigung zurecht. Doch in der stecken jede Menge offene Fragen, über die sich jetzt die Beamten in den EU-Behörden den Kopf zerbrechen, Es braucht eine Einigung zwischen EU-Rat und Parlament, damit das Ganze endgültig zum Gesetz wird und in die Praxis umgesetzt werden kann.

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Wann ist Krise?

Schon die Grundfrage ist heikel: Wann darf ein EU-Land eine Krise ausrufen? Wie viele Menschen müssen da die Grenze überschritten haben – im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung? Um tatsächlich zum EU-Krisenfall zu werden, muss sich das Land an die EU-Kommission wenden. Die prüft die Lage. Ist das Land tatsächlich in einer Ausnahmesituation, oder funktioniert sein Asylsystem einfach nicht? Sind die Ausnahme-Regelungen, die es fordert, gerechtfertigt, oder überzogen?

15 Tage Zeit

Am Ende sind alle EU-Staaten am Wort. Erst wenn eine Mehrheit von ihnen zustimmt, tritt tatsächlich der Krisenfall ein. Spätestens nach 15 Tagen soll diese Entscheidung getroffen sein.

Doch das Tauziehen um jeden Flüchtling und um jede Hilfsmaßnahme der anderen EU-Staaten ist damit nicht zu Ende. Denn die Krisenverordnung lässt vorerst noch offen, was die anderen wirklich leisten müssen.

 

Wer leistet welche Hilfe

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Man kann Asylwerber übernehmen und die Verfahren im eigenen Land abwickeln, Geld schicken, oder Beamte, etwa Polizisten, um das Krisenland zu unterstützen. Wer aber entscheidet, ob diese Hilfe ausreicht, und was, wenn das Krisenland nicht zufrieden ist? Offene Fragen gibt also weiter mehr als genug. Denn was derzeit als Einigung auf dem Tisch liegt, enthält, wie am Rande der Verhandlungen zu hören war, „noch viele Gummiparagrafen.“

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