Asselborn zu Europas Einschätzung von Russland: "Bin mit Schuldgefühl konfrontiert"
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat Irrtümer westlicher Politiker bei der Einschätzung der Politik Russlands eingeräumt. „Ich glaube, dass wir einfach nicht wahrhaben wollten in großen Teilen Europas, dass Russland jetzt auf der falschen Schiene ist“, sagte er im Podcast „Wortwechsel“ der Zeitung Luxemburger Wort mit Blick auf die Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr 2014.
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„Und dass diese Schiene nicht gebremst wird, sondern immer weiterführt zu diesem barbarischen Krieg (gegen die Ukraine), der dann im Februar letzten Jahres ausgebrochen ist“, fuhr er fort.
Asselborn ist dienstältester EU-Außenminister
Asselborn, der als mittlerweile dienstältester EU-Außenminister seit Mitte 2004 amtiert, sagte, in den ersten 15 Jahren seit Putins Amtsantritt im Jahr 2000 habe man in ihm „einen Mann gesehen, der effektiv den Willen hat, wirklich Reformen durchzubekommen und ein echtes Zusammenleben auf diesem Kontinent hinzukriegen“.
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Nach dem russischen Einmarsch in Georgien 2008 und der Krim-Annexion habe es in der EU und Nato den Reflex gegeben: „Das kann doch nicht sein, dass Russland sich auf diesen Weg begibt und internationales Recht mit Füßen tritt.“
"Schuldgefühl in mir selbst"
„Wenn man in sich hineingeht und man blickt zurück, dann bin ich schon auch mit einem Schuldgefühl in mir selbst konfrontiert“, sagte Asselborn. „Das konnte man sich einfach nicht vorstellen, dass Russland Zehntausende Menschen ohne Ursache ihres Lebens beraubt.“ Zu seinem Schuldgefühl sagte er: „Und man fragt sich dann: War das vorauszusehen, hätte die Politik anders reagieren müssen, hätten wir härter reagieren müssen sogar schon nach (Georgien) 2008?“
Dafür hätte es damals aber weder in der Nato noch in der EU eine Mehrheit gegeben, sagte Asselborn. Er glaube, dass die USA auch nach der Krim-Annexion „noch daran geglaubt haben, dass man irgendwie trotzdem wieder in eine gewisse Normalität hineinkommen könnte“.
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Wenn der Westen der Ukraine jetzt nicht die Mittel zur Selbstverteidigung gebe, „dann wird es keine Ukraine mehr geben in dieser Form“, sagte Asselborn. Und: „Wenn die Ukraine unter Druck einen Zwangsfrieden aufgezwungen bekommt, dann hat Putin gewonnen und dann wird Putin nicht stehen bleiben in der Ukraine.“ Er sei „nicht sicher, dass ein Frieden mit Putin überhaupt abzuschließen ist“.
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