Seit Wochen steigen die Zahlen der Dengue-Infektionen im Land massiv, jeder Gang auf die Straße wird zum Spießrutenlauf. Dengue wird durch Mücken übertragen, und die verbreiten sich gerade extrem: Der Klimawandel und El Niño sorgen dafür, dass die Tiere immer weiter Richtung Norden ziehen. In Argentinien war die Krankheit bis vor ein paart Jahre relativ unbekannt, jetzt kennt sie jeder: 233.000 Fälle wurden seit Jahresbeginn registriert, das sind acht Mal so viele wie zum gleichen Zeitpunkt 2023; 50.000 gab es allein vergangene Woche.
Leere Regale in den Apotheken
"Knochenbrecherfieber" wird Dengue wegen der schlimmen Schmerzen in Asien genannt, dort kennt man die Infektion schon lange. Wer sie einmal hatte, sollten zusehen, sich kein zweites Mal zu infizieren: Das Risiko für einen schweren Verlauf mit inneren Blutungen steigt um das Neunfache.
In Argentinien ist das leichter gesagt als getan. Wer dort in Supermärkten oder Apotheken nach Insektensprays sucht, steht meist vor leeren Regalen. Seit Wochen sind die Insektenschutzsprays im ganzen Land nahezu ausverkauft, am Schwarzmarkt bekommt man sie nur mehr zu horrenden Preisen. Selbst Nahrungsergänzungsmittel kann man sich kaum leisten: "Vitamin C hätte in der Apotheke 26 Euro gekostet", sagt Sophia. Sie hat sich stattdessen ein Netz Orangen gekauft.
Der Markt soll die Mücken regeln
Auch die Spitäler stöhnen zusehends, denn immer mehr Patienten kommen mit schweren Verläufen in die Kliniken. Von der Regierung kommt in der Sache bisher aber wenig Hilfe – und daran wird sich künftig auch wenig ändern, denn das widerspricht der Maxime des neuen Präsidenten: Javier Miliei ist laut Eigendefinition "Anarchokapitalist", und nichts läge ihm ferner als Eingriffe in den Markt.
Eine gratis Dengue-Impfung ließ er deshalb gleich mal ausschließen. "Immunität wird durch Infektion erreicht", ließ die Präsidentschaftsbüro wissen, und impfen könne sie jeder privat lassen – das kostet allerdings 80 Euro, also etwa ein Drittel des durchschnittlichen Monatslohns. Zudem zweifelte Mileis Sprecher noch die Wirksamkeit des Vakzins an, das in Europa uneingeschränkt als effektiv empfohlen wird.
Gesundheitssektor unter Druck
Die Dengue-Welle samt Versorgungskrise trifft Argentinien zu einer Zeit, in der das Land an vielen Fronten kämpft. Die Inflation ist dreistellig, und Mileis Reformen spalten die Gesellschaft. Seine berühmte "Kettensäge" will er auch im Gesundheitssektor einsetzen, sagte er vor seiner Wahl im Herbst: Bisher hat er dafür die Preisdeckel auf Medikamente und private Versicherungen gestrichen; die Preise stiegen empfindlich.
Zumindest die Importbeschränkungen für Insektenschutzmittel wurden für 30 Tage gelockert. Die Bevölkerung reagiert auf diese Untätigkeit mit Humor: Im Netz hat man Milei den Spitznamen "Presi-dengue" verpasst. Und sein Gesundheitsminister Mario Russo wird im Netz nur mehr ausgelacht. Er empfahl den Menschen nämlich, sie sollten "mit kurzen Hosen vorsichtig sein".
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