Bildungsministerin Merkels ohne Titel
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) habe in ihrer Doktor-Arbeit Zitate ohne Quellenangabe als eigene Leistung genutzt – und trage damit ihren akademischen Titel zu Unrecht. Dieses Urteil fällte am Dienstag der zuständige 15 -köpfige Fakultätsrat der Universität Düsseldorf, an der sie 1980 promoviert hatte. Schavan wird, wie sie schon zuvor andeutete, gegen diesen Entscheid beim Verwaltungsgericht klagen. Dessen Urteil und damit die Rechtskraft des möglichen Titel-Entzugs wird nicht vor der Bundestagswahl Ende September erwartet.
Damit ist nicht nur ein zweites Mitglied im Kabinett Merkel von einer Plagiatsaffäre um den akademischen Titel betroffen, nachdem schon 2011 Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) deswegen zurücktreten musste. Mit Schavan ist auch Merkels engste Vertraute im Kabinett seit Beginn ihrer Kanzlerschaft nun politisch heftigst umstritten. Die Opposition hatte schon vor der Entscheidung der Universität für den Fall der Aberkennung ihren Rücktritt verlangt: Eine Bildungs- und Wissenschaftsministerin müsse beim akademischen Grad untadelig sein. Merkels Wahlkampf ist nun erheblich belastet, eine Kabinettsumbildung aber nicht wahrscheinlich.
Der Vorwurf gegen Schavan war schon im April – wie gegen andere Politiker von Union und FDP – anonym im Internet erhoben worden. Erst spät hatte der Fakultätsrat das Verfahren eröffnet und sich dabei auf das Gutachten eines Professors aus der eigenen Universität gestützt. Laut dem hat Schavan sich bei ihrer erziehungswissenschaftlichen Dissertation „Person und Gewissen“ vorsätzlich „in leitender Täuschungsabsicht“ fremden Materials bedient und dieses nicht kenntlich gemacht. Zuletzt war noch ein Pflichtenheft der Universität von 1978 aufgetaucht, in dem ausdrücklich vor Plagiaten durch nicht zitierte Übernahmen gewarnt wurde.
Verfahren umstritten
Schavan hat diese aber vielfach entschieden dementiert und nur „Flüchtigkeitsfehler“ eingeräumt, die damals akademisch unbedenklich und üblich gewesen seien. Sie machte der Uni Düsseldorf auch Vorwürfe, weil die Presse regelmäßig mit Informationen versorgt worden sei, die sie gar nicht oder erst später bekommen habe. Es sei nicht, wie in solchen Fällen üblich, ein auswärtiger Gutachter zugezogen worden. Sie sei selbst nie angehört worden und auch nicht ihr Doktorvater, der ihre Arbeit inzwischen öffentlich verteidigt hat.
Am Montag war Schavan trotz der Sitzung des Fakultätsrats auf Dienstreise nach Südafrika gegangen. Mit Spannung wird nun ihre Reaktion und die von CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel erwartet, die bisher Schavan entschieden verteidigt hat.
Update: Die Bildungsministerin hat mittlerweile Stellung zum Entzug ihres Doktortitels genommen In Johannesburg sagte Schavan, dass sie nicht zurücktreten wolle und gegen die Entscheidung der Uni Düsseldorf juristisch vorgehen werde.
Mehr als 30 Jahre nach ihrer Doktorarbeit ist die deutsche Bildungsministerin Anette Schavan (CDU) mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Am Dienstag teilte die Universität Düsseldorf mit, dass ihr der Doktortitel entzogen wird. Eine Chronologie der Ereignisse:
September 1980: Annette Schavan reicht im Alter von 24 Jahren ihre erziehungswissenschaftliche Dissertation "Person und Gewissen" an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf ein. Die Arbeit wird mit "sehr gut" benotet.
29. April 2012: Auf einer Internetplattform wird anonym der Vorwurf des Plagiats gegen Schavan erhoben.
2. Mai: Die Universität Düsseldorf beauftragt die zuständige Promotionskommission, die Vorwürfe zu prüfen.
10./11. Mai: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Schavan ihr Vertrauen aus.
27. September: Der Vorsitzende des Promotionsausschusses, Professor Stefan Rohrbacher, legt intern einen Sachstandsbericht vor. Das Ergebnis: An zahlreichen Stellen der Arbeit sei plagiiert worden. Es liege eine systematische Vorgehensweise und damit eine Täuschungsabsicht vor.
14. Oktober: Der "Spiegel" zitiert aus dem vertraulichen Bericht Rohrbachers. Schavan weist eine Täuschungsabsicht zurück.
15./16. Oktober: Merkel spricht Schavan erneut das Vertrauen aus. Rückendeckung bekommt sie auch von ihrem Doktorvater Gerhard Wehle. Auf der Suche nach der undichten Stelle erstattet die Universität Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Weitergabe vertraulicher Informationen.
17. Oktober: Die Prüfungskommission berät über den internen Bericht Rohrbachers.
10. November: Schavan reicht nach Informationen der "Rheinischen Post" bei der Uni Düsseldorf eine schriftliche Stellungnahme ein, in der sie den Vorwurf des Plagiats bestreitet.
18. Dezember: Die Promotionskommission empfiehlt nach Prüfung der Arbeit und Anhörung Schavans, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels zu eröffnen. Befinden muss darüber der Rat der Philosophischen Fakultät.
22. Jänner: Der Fakultätsrat stimmt mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung für die Einleitung des Hauptverfahrens zur möglichen Aberkennung des Doktortitels. Für den 5. Februar setzt der Rat eine weitere Sitzung an.
31. Jänner: Schavan räumt im "Zeitmagazin" Flüchtigkeitsfehler in ihrer Doktorarbeit ein, weist den Vorwurf des Plagiats oder der Täuschung aber erneut zurück.
5. Februar: Der zuständige Fakultätsrat der Universität Düsseldorf stimmt im Plagiatsverfahren für die Aberkennung des Doktortitels. Schavan hält sich zu politischen Gesprächen in Südafrika auf.
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