Anis Amri: Die Stationen seiner Flucht

Anis Amri auf einem Überwachungsvideo am Brüsseler Nordbahnhof
Während seiner viertägigen Flucht überquerte der Attentäter von Berlin mehrere innereuropäische Grenzen.

Am Montag vor Weihnachten stahl Anis Amri einen Sattelschlepper samt Auflieger, erschoss den Fahrer und raste anschließend quer über einen Weihnachtsmarkt in Berlin. Dabei tötete er zwölf Menschen, verletzte zahlreiche schwer. Erst vier Tage später wurde er von der Polizei in Mailand erschossen. Nun haben die Behörden die Flucht des mutmaßlichen Attentäters rekonstruiert. Demnach floh er über 1500 Kilometer Luftlinie über die Niederlande, Belgien und Frankreich nach Italien. Überwachungskameras filmten ihn, gab die Bundesanwaltschaft bekannt, aufhalten konnte ihn das nicht. Die Chronologie seiner Flucht:

Montag, 19. Dezember, Berlin: Amri rast gegen 20 Uhr mit einem zuvor geklauten polnischen Lkw über den Markt an der Berliner Gedächtniskirche. Er lässt - ob bewusst oder unbewusst - seine Ausweispapiere zurück, seine Fingerabdrücke finden sich an und im Führerhaus. Er flieht nachdem der Lkw zum Stehen kommt. Am Bahnhof Zoo soll er sich zu den Überwachungskameras gedreht und einen Zeigefinger in die Kamera gehalten haben, ein typischer IS-Gruß.

Mittwoch, 21. Dezember, Niederlande/Belgien: Um 11.30 Uhr soll Amri über Nijmegen nach Amsterdam gefahren sein. Laut niederländischen Behörden wurde er an beiden Bahnhöfen von Überwachungskameras aufgenommen. Ebenfalls am Mittwoch, am späten Nachmittag, landete Amri im belgischen Brüssel, genauer gesagt am Bahnhof Brüssel-Nord. Dort wurde auch das Bild der Überwachungskamera aufgenommen, dass die Behörden veröffentlichten.

Donnerstag, 22. Dezember, Frankreich/Italien: Am Donnerstag findet sich seine Spur bzw. sein Bild auf einem Überwachungsvideo in Frankreich. In Lyon am Bahnhof Part-Dieu soll er laut französischen Medien einen Zug nach Chambéry bestiegen haben. In Chambéry hat er sich ein neues Ticket gekauft, zumindest teilte die Bundesanwaltschaft mit, es sei ein Zugticket gefunden worden, das den "Weg von Chambéry nach Mailand" belegt.

In Italien wurde Amri erstmals ebenfalls am Donnerstag in Turin von einer Kamera um 22.14 Uhr gefilmt. Demnach hielt er sich etwa zwei Stunden im Bahnhof Porta Nuova auf. Anschließend bestieg er den nächsten Zug.

Freitag, 23. Dezember, Mailand (Italien): Dieser brachte ihn in die italienische Modestadt Mailand. Wieder filmte ihn eine Überwachungskamera im Hauptbahnhof. Da ist es 0.58 Uhr. Mailand ist aber nicht sein Ziel, er reist weiter nach Sesto San Giovanni. In der Kleinstadt wollen Polizisten den Mann im Rahmen einer routinemäßigen Kontrolle überprüfen. Amri zieht ein Waffe, verwundet einen Polizisten und wird gegen 3.30 Uhr erschossen.

Schengenraum

Erleichtert hat Amri die Flucht über vier innereuropäischer Grenzen der Schengenraum, der keine Grenzkontrollen vorsieht. Das befeuert wiederum die Diskussion um eine Wiedereinführung ebendieser. Derzeit gibt es in 6 der 26 Mitgliedsstaaten Ausnahmeregeln, die Grenzkontrollen erlauben. Im Moment wird die Grenze zwischen Deutschland und Österreich, Deutschland und Dänemark, die Fährverbindung nach Schweden bzw. Norwegen und zwischen Frankreich und allen Nachbarstaaten (also auch Belgien und Italien) kontrolliert. Dennoch konnten die Attentäter von Paris ungehindert nach Frankreich einreisen, ebenso wie eben auch Amri.

Der Berlin-Attentäter Anis Amri hat nach Erkenntnissen der Polizei in Deutschland mindestens 14 Alias-Personalien genutzt. Amri habe sich immer wieder mit neuen Namen in verschiedenen Städten registrieren lassen, sagte der Landeskriminaldirektor von Nordrhein-Westfalen, Dieter Schürmann, am Donnerstag vor dem Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags.

"Er verhielt sich konspirativ und nutzte verschiedene Personalien", sagte Schürmann. Im Februar 2016 sei der im Sommer 2015 in Deutschland eingetroffene Amri auf Initiative des Landeskriminalamts NRW erstmals als "Gefährder" eingestuft worden. Ab März 2016 sei er dann in Berlin als "Gefährder" eingestuft worden. Amri sei allein sieben Mal Thema im Terror-Abwehrzentrum von Bund und Ländern gewesen. Es sei aber immer wieder Konsens gewesen, dass von Amri offenbar keine konkrete Gefährdung ausgehe.

Die Polizei habe wiederholt versucht, Verfahren gegen Amri in die Wege zu leiten, sagte Schürmann weiter. Dies sei etwa im April 2016 der Fall gewesen, als festgestellt worden sei, dass Amri in verschiedenen Kommunen staatliche Leistungen kassiert habe. Die zuständige Staatsanwaltschaft habe dies aber abgelehnt. Auch sei Amri mit falschen Dokumenten und Betäubungsmitteln aufgegriffen worden. Zudem habe es Versuche gegeben, in Berlin ein Verfahren unter dem Verdacht von Plänen für einen Überfall einzuleiten. Amri sei dabei auch Ziel "verdeckter Maßnahmen" gewesen, seine Telekommunikation sei zudem über sechs Monate abgehört worden.

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