Angst vor Corona: Reiche Russen hamstern Beatmungsgeräte

Angst vor Corona: Reiche Russen hamstern Beatmungsgeräte
Russische Oligarchen kaufen den Markt leer - was in Russland zu massiven Problemen führen kann. Die Spitalsinfrastruktur sieht nämlich besser aus als sie ist.

In der Coronakrise sind alle gleich, würde man meinen. Wer schwer krank ist, muss ins Spital. In Russland sind offenbar manche gleicher: Wie die Moscow Times jetzt herausgefunden hat, sichern sich dort reiche Familien Beatmungsgeräte - und richten damit zu Hause kleine Kliniken ein.

„Wir haben schon ein Beatmungsgerät“, sagt eine schwerreiche Familie im anonymen Interview; sie ist eine der wohlhabendsten des Landes. Sie plant, sich in ihr Haus an der Rublevka, einem Nobel-Vorort Moskaus, zurückzuziehen und die Krise auszusitzen - und zwar mit eigenem Equipment. „Wir versuchen, zwei weitere Gerät zu bekommen. Die Wartezeit beträgt acht Monate.“ Etwa 1,8 Millionen Rubel, also 21.000 Euro, zahlt man in Russland derzeit für ein Gerät.

Begehrte Ware

Beatmungsgeräte haben sich seit Beginn der Coronakrise zu einer der meistgesuchten Waren weltweit entwickelt. In Polen und Tschechien wurden kürzlich Lieferungen für Italien einkassiert, was zu diplomatischen Verwerfungen geführt hat.

Auch private Testungen

Das ist nicht das erste Mal, dass Russlands Oligarchen sich einen Vorteil in der Coronakrise sichern. Da auch Tests Mangelware sind - es gibt derzeit nur ein öffentliches Labor in Sibirien, das die Untersuchungen durchführen kann -, sichern sich Russlands Reiche ihre Gesundheit auch da mit Geld.

Für massiven Unmut sorgte etwa ein Video der Töchter von Immobilienmogul Aleksandr Tschigirinskij. Die beiden wurden bei ihrer Rückkehr aus dem Skiurlaub in Courchevel, einem Coronavirus-Hotspot, am Moskauer Flughafen Wnukowo von Männern in Schutzanzügen empfangen - zum Expresstest. Und zwar nicht auf staatliche Anweisung.

Angst vor Corona: Reiche Russen hamstern Beatmungsgeräte

Geschönte Zahlen

Dabei wäre Russland eigentlich – anders als etwa Großbritannien oder die USA, die jetzt schon auf Engpässe bei den lebensrettenden Geräten hinweisen – recht gerüstet. Bis zu 43.000 Geräte hat das Land, was umgelegt 29 Stück auf 100.000 Einwohner wären. Zum Vergleich: Italien hat acht Stück auf 100.000 Personen.

Allerdings, berichten die Moscow Times und das Portal Meduza, sind die Zahlen schöner als die Realität – etwas, was auch bei den Fallzahlen in Russland zutrifft. Im Riesenreich gibt es offiziell 306 Fälle, was angesichts der hohen Einwohnerzahl und der engen Kontakte zu China sehr wenig erscheint. Vermutet werden Tausende, weil eben kaum getestet wird.

Viele alte Geräte

Zudem hätten weit nicht alle Geräte den Standard, um tatsächlich Leben zu retten – viele seien alt. Ein Viertel der wichtigen Geräte konzentriere sich dazu noch auf die ohnehin finanziell üppig ausgestatteten Metropolen Moskau und St. Petersburg.

„In manchen Regionen kommen nur sechs Geräte auf 100.000 Einwohner, und die sind alt und von schlechter Qualität“, sagt Pavel Brand Direktor der Semejnaja-Klinik, einer Kette von Familienspitälern in Moskau, zur Moscow Times

30 Prozent Privatverkäufe

Der Staat plan angeblich, neue Geräte zu kaufen. Allein: Die Händler haben keine mehr. Das wiederum liegt laut den Recherchen an den Privatkäufen – sie würden bis zu 30 Prozent des Umsatzes ausmachen.

Neue Lieferungen würden erst Ende April wieder erwartet, heißt es. Woher die dann kommen? Aus China – und Italien wie auch Deutschland, wo die Geräte selbst bitter benötigt werden.

Private Ärzte zu Hause

Mediziner verurteilen die Privatkäufe darum nun öffentlich. Sie würden die Krise massiv verstärken – und den Käufern auch nichts bringen: Man brauche nämlich einen Spezialisten, um das Gerät auch richtig einzusetzen. „Gott sei Dank haben die meisten Ärzte genug ethische Grundsätze, um nicht einem Reichen zu Hause zu helfen, während Tausende Hilfe benötigen“, zitiert die Zeitung den Kardiologen Jaroslaw Aschikmin.

Viele, aber nicht alle: Einer der begüterten Gesprächspartner der Zeitung bestätigte, dass er auch einen Arzt privat zur Verfügung habe.

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