„Alles ist unter Kontrolle, Russland ist vom Coronavirus kaum betroffen“, zitieren die Zeitungen am Mittwoch Präsident Putin. Zu lesen ist das in den regierungsfreundlichen Medien. Die wenigen unabhängigen fragen hingegen: „Was stimmt hier nicht?“
Gerade mal 147 Fälle zählt das Riesenreich, und das, obwohl man offiziell 116.000 Tests durchgeführt hat. Zum Vergleich: In Österreich kommen auf etwa 12.000 Tests mehr als 1400 Fälle. Dass da etwas nicht passt, sagen nun selbst die Behörden. „Die Zahlen sind vermutlich viel höher“, gab Aleksej Kurinnij, der im Gesundheitsausschuss der Duma sitzt, gegenüber der Moscow Times zu. Die Zeitung hat recherchiert, warum: Derzeit gibt für die 144 Millionen Einwohner es nur ein Labor, das einen positiven Test bestätigen kann – und das ist in Sibirien, 3380 Kilometer von Moskau entfernt.
Auch am Test selbst gibt es Kritik. Mediziner monieren, er weise ein positives Ergebnis erst bei sehr hoher Viruslast aus. Ärzte in den Spitälern berichten zudem davon, dass sie die Ergebnisse nie bekommen hätten. Was heißt: Die Bürokratie verschleppt, die wahren Zahlen in Russland sind wohl massiv höher.
Das erklärt auch den Aufwand, der betrieben wird. Die Grenzen sind schon länger geschlossen, Rückkehrer aus Risikogebieten werden zwei Wochen in Quarantäne gesteckt und per Gesichtserkennung verfolgt und bestraft – Moskau verfügt neben Peking über das dichteste Kameranetz weltweit. Mit dem System hat man auch schon viele chinesische Studenten im Land aufgespürt – und zurück in ihre Heimat deportiert, ungeachtet einer Infektion. Häftlinge und das Militär wurden angewiesen, Masken herzustellen; Schulen werden geschlossen; und in Moskau sind Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen verboten. Zudem lässt die Hauptstadt ein Krankenhaus aus dem Boden stampfen.
Dazu liest man in den sozialen Medien vielfach, dass das Virus eine Erfindung der USA sei – oder wahlweise der Pharmabranche. Dies lasse der Kreml verbreiten, so die EU-Fake-News-Behörde EEAS – und das diene dazu, der eigenen Bevölkerung einen Schuldigen zu präsentieren. Eine Methode, die schon in der UdSSR gern angewandt wurde. Beim Ausbruch des HI-Virus verfuhr man ähnlich – es forderte 340.000 Tote.
Hintergrund dürfte aber auch sein, dass Russlands Krankenhäuser kaum in der Lage sein dürften, eine Infektionswelle zu stemmen. Die Petersburger Spitäler sind jetzt schon komplett überlastet; dort hatte man gratis Corona-Tests angeboten.
Trotz dieser Meldungen will man die Lage stabil halten – zumindest nach außen hin. Denn am 22. April steht das Referendum über Putins Machtverlängerung an; verschieben will er bisher nicht. Bis dahin, hat der Kremlchef angewiesen, sollen jedenfalls all seine Mitarbeiter und Journalisten in seiner Umgebung getestet werden.
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