"Ich gebe jedem soviel Zucker, wie er haben will"

"Ich gebe jedem soviel Zucker, wie er haben will"
NEOS-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar ist in (fast) allen Belangen für eine gemeinsame Europapolitik.

Die Spitzenkandidatin der NEOS für die EU-Wahl am 25. Mai, Angelika Mlinar, unterstrich am Sonntag in der ORF-Pressestunde die Wichtigkeit sowohl einer gemeinsamen Außenpolitik, Asylpolitik, als auch einer einheitlichen Energiepolitik. Vor allem vor dem Hintergrund der kritischen Lage in der Ukraine sei das unabdingbar. Auf die Frage, wieviel Mitschuld die EU hat: Die EU hätte sich lange auf die Finanzkrise konzentriert – sehr lange wurde das, was rund herum passiert ist, nicht gesehen. „Wir brauchen einen friedlichen Kontinent“, das müsse oberste Priorität haben. Es dürfe keine weitere Eskalation mehr geben. Wirtschaftssanktionen befürwortet Mlinar. Denn, wieviel mehr würde es uns insgesamt kosten, wenn der Krieg weitergeht? Auch könne man Russland von einer gemeinsamen Politik nicht ausschließen. Allgemein müsse man die Idee einer vertieften Kooperation aller Länder angehen.

Auch in der Energiefrage plädiert die Juristin für gemeinsames Handeln in der EU. Und zwar in Form einer europäischen Energiestrategie. Wichtig seien Alternativen, Atomstrom und Schiefergas lehnt sie ab. Einzig die Arbeitszeiten sollten nicht auf europäischer Ebene geregelt werden. Hierfür gebe es in Österreich die Kollektivverträge. Aber: Österreich sei etwas überreguliert. Als Beispiel führt Mlinar hier die strengen Regelungen für die Ladenöffnungszeiten an.

NEOS eine "Oligarchenpartei"? - "Nein"

Den Vorwurf von Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP), die NEOS seien eine Oligarchenpartei, lässt sie nicht gelten. Dass Haselsteiner die Partei nur aus dem Grund sponsert, um auf europäischer Ebene Einfluss zu nehmen, findet die 43-Jährige unzulässig.

Zu einer gemeinsamen Sicherheitspolitik gehört für Mlinar auch eine europäische Armee, wobei es sich um ein "Verteidigungsheer" handeln würde, das nur mit UNO-Mandat etwa in der Ukraine eingreifen könnte. Letztlich würde so eine Armee bedeuten, dass das Bundesheer (inklusive Wehrpflicht) abgeschafft wird und die österreichischen Soldaten unter europäischem Kommando stehen. Katastrophenschutz sei nicht die Hauptaufgabe des Heeres. Für Hochwasser sei die Feuerwehr zuständig. Die Neutralität ist Mlinar kein Herzensanliegen, wie sie einräumte. Aktiv an ihrer Abschaffung beteiligen wolle sie sich aber nicht.

„Erklärts mir bitte, was da daran unrealistisch ist“

Und was gehört beim Budget anders gemacht? „Wir brauchen eine richtige Pensionsreform“ wie die Flexipension in Schweden, so Mlinar. Es liegt alles am Tisch, es braucht nur Mut zur Reform, den habe die Regierung aber nicht. Wiederum tritt sie für einen 25 % Eingangssteuersatz ein. Lösung auch von den NEOS: Verwaltungsrefom aber keine Reichenabgabe. Auf den Einwurf, das sei nicht machbar: „Erklärts mir bitte, was da daran unrealistisch ist“. Man müsse sich nur trauen. Im übrigen seien Länderverwaltungen obsolet. Bürgernähe würde auf Gemeindeebene passieren.

Am Ende der Sendung wurde die Kärntnerin mit dem Fall des gekündigten Kellners im Restaurant Plachutta konfrontiert (mehr dazu hier). Nicht ganz unpointiert konterte sie auf die Frage, auf welcher Seite sie in der Sache stehen würde: "Ich gebe jedem soviel Zucker, wie er haben will."

Teils deftige Reaktionen der Konkurrenz hat der Auftritt von NEOS-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar in der ORF-"Pressestunde" am Sonntag gebracht: Die FPÖ sprach von einer "politischen Lachnummer", das BZÖ gar von "fleischgewordener Blödheit". Kritik kam auch von den Grünen, ÖVP und SPÖ warben für ihre Kandidaten als Alternative.

In exakt einem Zitat von Generalsekretär Gernot Blümel fasste die ÖVP ihre Meinung in einer Aussendung zusammen: "Diese Pressestunde hat mehr als deutlich gezeigt, dass Othmar Karas das bessere Angebot für die Sympathisanten der NEOS-Partei ist.

"Während sich die ÖVP und ihr Spaltprodukt NEOS darum balgen, wer die Konzerne und Banken besser vertritt, kümmern sich die SozialdemokratInnen um die Menschen und ihre Anliegen", meinte wiederum SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Mit ihrem Plädoyer für eine EU-Armee und dem Infragestellen der Neutralität befinde sich Mlinar "auf dem vollkommen falschen Weg".

Der Listenzweite der Grünen, Michel Reimon, findet Mlinars wirtschaftspolitische Haltung "radikal und unsozial". Europa brauche jetzt "sozialere Politik und nicht noch mehr Neoliberalismus", so sei etwa für die Grünen die "Privatisierung von Wasser" nicht verhandelbar. In Fragen von Grund- und Menschenrechten sah Reimon hingegen "einiges an Übereinstimmung".

Den Zusehern sei offenbart worden, "dass die NEOS das Ende nationaler Eigenstaatlichkeit wollen", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Forderungen wie eine gemeinsame EU-Armee anstelle des Bundesheers seien "wirre Ideen". Mlinar habe sich "als weibliches Pendant des Herrn Stronach präsentiert", "eine ahnungslose und abgehobene Politikerin", ätzte Kickl.

In die Schlammschlacht warf sich auch BZÖ-Chef Gerald Grosz: Mlinar habe "Dummheit zum politischen Prinzip erhoben", lästerte er in einer Aussendung. Er appelliere an die Medien, "zumindest noch 100 Auftritte im öffentlich-rechtlichen aber auch in den Privatsendern zu ermöglichen, damit sich die Österreicherinnen und Österreicher über diese fleischgewordene Blödheit einen Eindruck machen können".

Dezenter Lippenstift, akkurater Scheitel, modernes Outfit – Angelika Mlinar ist immer perfekt gestylt. "Sie wirkt selbstbewusst und will hoch hinaus", bescheinigt der gebürtigen Südkärntner Slowenin ein älterer Nachbar. "Karriere, das ist ihr schon sehr wichtig", sagte er leise. Er will ihr ja nicht schaden.

Angelika Mlinar hat es vom Provinz-Mädl zur Neos-Spitzenkandidatin für die EU-Wahl geschafft. Ihr Einzug ins Parlament gilt als sicher, sie kehrt damit an den Ort zurück, wo ihre berufliche Laufbahn 1997 als Praktikantin des ehemaligen Europa-Abgeordneten Friedhelm Frischenschlager begann. Sie selbst sagt, der Ex-FPÖ-Verteidigungsminister sei ihr Mentor gewesen. Kärntner Slowenen behaupten: "Karel Smolle ist der politische Ziehvater", er war LIF-Abgeordneter und Funktionär des Rates der Kärntner Slowenen. Von Smolle hat sie "forsches Auftreten" und "das Drüberfahren über Leute" gelernt, ätzen Weggefährten.

Erstaunt reagiert die 44-Jährige auf die Frage, ob ihre liberale Überzeugung vom Vater, der Schuhmacher war und ein Geschäft in der Grenzstadt Bleiburg hatte, kommt: "Er war Handwerker, diese Schiene der Familie habe ich mir noch nie überlegt."

Mlinars liberale Grundhaltungen zu verorten, ist nicht leicht. "Liberalismus ist das Recht, das Leben frei zu gestalten", sie will "Chancengleichheit mit Bildungsschecks" und ist vom EU-USA-Freihandelsvertrag überzeugt. Sie liebt Europa, weil "Politik emotional sein muss".

Die kritischen Reaktionen auf ihren ersten großen Fernsehauftritt Ende Februar bei Armin Wolf in der ZiB2 stören sie nicht weiter. Auf YouTube ist zu lesen, "Angelika Mlinar erklärt, warum Neos auf EU-Ebene unwählbar sind". Dazu Mlinar: "Wenn man in der Öffentlichkeit steht, hat man Zuneigung und Abneigung."

Mlinar hat am Slowenischen Gymnasium in Klagenfurt maturiert, in Salzburg Jus studiert, einen Master an der American University in Washington gemacht und eine Dissertation über "Frauenrechte sind Menschenrechte" verfasst.

Keks-Produktion

2000 ging sie nach Ljubljana, arbeitete dort für die EU-Kommission als Projektleiterin und wurde Unternehmerin, sie ließ Kekse produzieren ("Angelski keksi"). Nach Stationen als Programm-Managerin einer internationalen Organisation in Wien leitete sie 2008 den Nationalratswahlkampf des Kärntner LIF-Kandidaten Rudi Vouk. Trotz Misserfolgs wurde sie Generalsekretärin des Rates der Kärntner Slowenen.

2009 kam das Angebot, den LIF-Parteivorsitz von Heide Schmidt zu übernehmen. Der Ruf kam zur rechten Zeit. "Als Kärntner Slowenin hab’ ich ohnedies kein Leiberl in Kärnten gehabt."

Dass Mlinar nach der Fusion des LIF mit den Neos nach Brüssel abgeschoben werde, sei "ein Gerücht". Mit Neos-Chef Matthias Strolz verstehe sie sich blendend. "Das beweisen meine vielen Funktion in der Partei."

Freizeit wird als künftige EU-Abgeordnete wohl knapp bemessen sein. Kochen, wandern, lesen gibt sie als Hobbys an. In ihrer Bibliothek liegt auch der Bestseller "Fifty Shades of Grey".

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