Das (un)feine Kalkül mit Bildern

Selten gab es so viele Fotos der urlaubenden Kanzlerin, selten waren diese so nützlich.

Aussagen des Berliner Regierungssprechers sind immer offiziell, quasi aus dem Mund der Kanzlerin: Die plötzlich zahlreichen Fotos in vielen Medien von ihrem Osterurlaub in Ischia seien „gegen ihren Willen“ entstanden, sie „ärgere sich darüber“. Sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter auf Fragen der Hauptstadtjournalisten.

Die wundern sich oder schmunzeln: Denn dagegen sprechen alle Indizien, alle ihre beruflichen Erfahrungen. Und nie gab es einen besseren Zeitpunkt, um die seit bald acht Jahren regierende Kanzlerin als „Mutti“ (Spitzname im Polit-Berlin) zu zeigen, umgeben von Familie, in entspannter Urlaubsatmosphäre – und das auch noch im ihr gegenüber sehr kritischen Ausland, in Italien.

Dort und in anderen Mittelmeerländern hatte sie Beschimpfungen über sich ergehen lassen müssen wie sonst kein mächtiger Politiker Europas der letzten Jahrzehnte: Weil sie in deren Staatsschuldenkrise auf Reformversprechen drang. Und das nicht nur aus eigener Überzeugung, sondern weil sie ohne diese Versprechen keine Zustimmung ihres Parlaments zu den hunderten Milliarden Euro Hilfen der deutschen Steuerzahler bekäme.

Die Böse

Die Bürger Südeuropas aber wählten nicht nur überwiegend Parteien und Politiker, die ihnen diese Reformen zu ersparen versprachen. Die Radikaleren beförderten diesen Prozess auch mit Bildern einer Merkel als Reinkarnation des Bösesten der jüngeren Geschichte, der deutschen Nazi-Verbrechen. Schließlich kann ja an den Bildern kein Medium vorbeigehen, weder die in den Hilfsempfänger-Ländern noch die in Merkels Heimat.

Mehr als diese Schmäh-Orgie aber dürfte die Machtpolitikerin Merkel auch im Urlaub der Wahlkampf für die Bundestagswahl im September beschäftigen. Der kommt immer mehr auf Touren: Gegen ihre Krisen-Kompetenz tut sich die SPD zwar sichtbar schwer und deren Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit vorlauten, oft als arrogant wahrgenommenen Äußerungen, noch mehr. Darauf aber antwortet die SPD mit dem Bild Merkels als kalt schweigender Machtperson und Steinbrücks als menschelndem Klartext-Redner.

Die Gute

Und auch darauf passt als mediale Antwort die kinderlose „Mutti“ mit dem angeheirateten Enkel perfekt, dazu liebevoll dargestellt in Bild als bescheidene, am Wochenende selbst kochende Hausfrau. Auch wenn das große deutsche Boulevardblatt zugeben muss, das nun nicht ganz so genau zu wissen.

Bilder gegen Bilder also, selten passte das so gut. Dass die jetzt mit manchen schönen Posen auf der winzigen Insel so aus der Nähe geschossen werden konnten, von Profis und nicht anderen Touristen mit ihren Handys, das wundert Kenner des Betriebs schon sehr. Bisher jedenfalls verhinderten die deutschen Sicherheitsleute und ihre stets präsenten italienischen Kollegen das perfekt: Aus Merkels alljährlichem Südtirol-Urlaub sind nur genehmigte und oft arrangierte Fotos bekannt.

Und aus ihrem Berliner Privatleben gar keine: Ein Bild aus Merkels Wohnung ist nicht einmal im Netz zu finden – wo sogar ein angebliches aus ihrer Studentenzeit in der DDR herumschwirrt, das sie beim damals üblichen Nacktbaden am Ostseestrand zeigen soll.

So drängt sich für die Herkunft der vielen schönen Bilder aus Ischia nicht nur Italienern deren altes Sprichwort auf: Se non è vero, è ben trovato (Wenn nicht wahr, so gut erfunden): Der vom Regierungssprecher gerügte „Paparazzo“ muss jedenfalls ein Meister seines Fachs sein.

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