Die AfD bekommt Konkurrenz – schon wieder

Hans Georg Maaßen wirkt seriös, wenn er spricht. Er hat eine ruhige Stimme, der Anzug sitzt immer, die kleine runde Brille sieht geradezu streberhaft aus. Wenn einer wie er, immerhin früher Präsident des Verfassungsschutzes, also oberster Geheimdienstler der Nation, vom „Großen Austausch“, vom bewussten „Importieren von Migranten" spricht – ja dann muss da was dran sein, oder?
Maaßens ehemaliger Beruf überzeugt viele von seinen verworrenen Ideen. Noch ist er bei der CDU, doch nicht mehr lange: Nachdem sie seit geraumer Zeit versucht hat, ihn loszuwerden, wegen seiner Liebe zur Verschwörungstheorie sogar ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn angestrengt hat, hat er sich am Sonntag selbst von ihr verabschiedet. Maaßen, Chef der der CDU-nahen „Werteunion“ mit immerhin 4000 Mitgliedern, macht aus seinem erzkonservativen Verein eine Partei.
Was das für Deutschland heißt?
Extreme Ideen
Zum einen, dass es ab sofort rechts neben der CDU zwei Parteien geben wird – oder, um genau zu sein, zweieinhalb. Denn auch Sahra Wagenknechts kürzlich gegründetes Bündnis ist alles andere als klassisch links: Zwar setzt die Partei wirtschaftspolitisch auf linke Ideologie, in Sachen Migration ist Wagenknecht aber der AfD ganz nahe.
➤ Mehr lesen: Wagenknecht gründet Partei: Kann sie die AfD schwächen?
Zum anderen heißt das, dass es neben der AfD nun eine weitere Partei gibt, die eine radikale bis extreme Weltsicht vertritt. Das ist mehr oder minder Hans Georg Maaßens Markenkern: Schon als Verfassungsschutzpräsident wetterte er gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik (Stichwort: der "Große Austausch"), später sprach er von einer „rot-grünen Rassenlehre“ und einem „eliminatorischen Rassismus gegen Weiße“, der Deutschland vernichten soll. Auch über „Wirtschaftglobalisten“, die die Welt angeblich in der Hand halten, zetert er gerne - alles kaum verhohlene rassistische und antisemitische Codes.
Der Märtyrer
Dass er trotzdem glaubhaft wirkt, hat freilich mit seiner Vergangenheit zu tun. Noch im Amt, stilisierte er sich selbst als Gegenpol zu Angela Merkel, nutzte so die teils untergriffigen Proteste gegen sie geschickt politisch aus. Als später herauskam, dass sein Amt im Zuge der rechtsradikalen NSU-Morde Beweise unterdrückt und er die AfD womöglich vor einer Beobachtung seiner Behörde gewarnt hatte, kostete ihn dies das Amt. Er wurde in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.
Für Maaßen war das nicht unbedingt ein Nachteil: Seither profitiert er von der Märtyrerlegende, der „Staat“ habe ihn aus dem Weg schaffen wollen, weil er womöglich zu viel wusste. Ziel seiner neuen Partei sind darum auch jene Wähler, die sich schon lange vom normalen Parteienspektrum verabschiedet haben, und die sich ihr Weltbild ausschließlich auf Social Media basteln lassen: Die machten bisher ihr Kreuz - wenn überhaupt - bei der AfD, was auch einer der Gründe für deren Aufstieg ist. Bundesweit liegen die Rechtspopulisten seit Langem auf Platz zwei hinter der CDU, bei den drei anstehenden Landtagswahlen im Osten sogar überall an erster Stelle.
Gefahr für die CDU
Allen Verschwörungstheorien zum Trotz hat Maaßens „Werteunion“ aber auch Potenzial bei enttäuschten CDU-Wählern. Nicht wenige Mitglieder der Union stellten sich gegen den Rauswurf des Ex-Geheimdienstchefs, weil sie fürchteten, das könnte die Union Wähler kosten. Genau die wird Maaßen nun mitzunehmen versuchen: Er macht ihnen mit seinen erzkonservativen Ansichten ein Angebot, um ihr Kreuz nicht bei der AfD machen zu müssen.
Allein, allzu groß ist der Unterschied zwischen Maaßens Rhetorik und jener der AfD nicht. Bei dem berüchtigten Treffen in Potsdam, wo AfD-Politiker mit Identitären-Chef Martin Sellner Ausbürgerungspläne für Migranten und andere Nicht-Genehme wälzten, waren auch Mitglieder der Werteunion dabei - und das wohl nicht unabsichtlich.
➤ Mehr lesen: Deutschland steht gegen Massendeportations-Pläne der AfD auf
Deshalb bleibt abzuwarten, wem Maaßens Bewegung tatsächlich Wähler abspenstig machen kann. Zwar liegt ihr Potenzial laut einer ersten Umfrage bei vorerst nur fünf Prozent - doch genau die fünf Prozent weniger können weder Union noch AfD brauchen.
Kommentare