Brasilien vor Richtungsentscheid

Wollen beide Nummer eins werden: Präsidentin Dilma Rousseff und ihr Herausforderer Aecio Neves
Mitte-rechts-Kandidat schaffte es in Präsidentenstichwahl und fordert die linke Amtsinhaberin Rousseff.

Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in Brasilien brachte am Sonntag einen Überraschungserfolg und eine Schlappe für die Senkrechtstarterin der vergangenen Wochen. Ex-Umweltministerin Marina Silva, die für die sozialistische Partei ins Rennen gegangen und der in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Amtsinhaberin Dilma Rousseff vorhergesagt worden war, landete mit 21 Prozent Zustimmung nur auf Platz drei. An ihrer Stelle tritt nun Aecio Neves von den mitte-rechts stehenden Sozialdemokraten (PSDB) in der Stichwahl gegen Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) an. Somit kommt es in der siebentgrößten Volkswirtschaft der Welt am 26. Oktober zu einem klaren Richtungsentscheid: links oder rechts.

Spektakulär ist der Aufstieg von Neves. Der Enkel des ersten frei gewählten Staatschefs nach der Militärdiktatur, der kurz vor Amtsantritt 1985 gestorben war, lief Silva auf den letzten Metern den Rang ab und kam mit fast 34 Prozent der Stimmen nur acht Prozentpunkte hinter Rousseff ins Ziel.

Ausschlaggebend für das Scheitern von Silva waren mehrere Gründe: So konnte die zierliche Frau aus der Amazonasregion nicht schlüssig erklären, wofür sie (wirtschaftspolitisch) steht. Zudem wurde ihr vorgehalten, dass sie sich wie eine Fahne im Wind drehe. Tatsächlich hat die 56-Jährige in den vergangenen fünf Jahren vier Mal die Partei gewechselt. Auch ihr evangelikaler Background könnte potenzielle Wähler abgeschreckt haben. Die Schmutzkübel-Kampagne der PT, die in Silva die größte Bedrohung sah, tat ihr Übriges.

Jetzt bekommt es die 66-jährige Rousseff mit dem um zwölf Jahre jüngeren Neves zu tun, der soeben Vater von Zwillingen geworden ist. Das bedeutet eine Neuauflage des Duells zwischen der linken PT und der rechten PSDB, das das Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten geprägt hat. 1995 war der Bürgerliche Fernando Henrique Cardoso an die Macht gekommen. Er gilt als Architekt des ökonomischen Booms, von dem vor allem sein PT-Nachfolger Lula da Silva (2003-2011) profitierte.

Die kommenden Wochen werden von einem harten Werben um die 143 Millionen Wahlberechtigten geprägt sein. Den Ausschlag könnten die Stimmen der Drittplatzierten Silva geben, wobei sich Neves bessere Chancen ausrechnen darf, diese zu kassieren – er hatte seine Konkurrentin weit nicht so hart kritisiert, wie Rousseff dies tat.

Die Positionen

Die Strategien scheinen abgesteckt: Die amtierende Präsidentin verweist auf die Erfolge etwa in der Armutsbekämpfung (40 Millionen Brasilianer konnten im vergangenen Jahrzehnt durch Sozialprogramme das schlimmste Elend hinter sich lassen). Sie propagiert Kontinuität und präsentiert sich als Stimme der Bedürftigen und der neuen Mittelklasse.

Der Herausforderer, der für mehr Markt-Liberalität steht, prangert die wuchernde Korruption an. Zugleich macht er die Präsidentin, die einem staatsdirigistischen Wirtschaften das Wort spricht, für die lahme Volksökonomie verantwortlich. Diese wird heuer im besten Fall bloß um ein Prozent wachsen, in den ersten beiden Quartalen 2014 schrumpfte sie sogar. Neves verspricht den Neustart und mehr Wachstum.

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