Algeriens Militäroperation war "riesige Schlappe"
In der Hauptstadt ist die Polizei allgegenwärtig. Es gibt ganz viele Checkpoints. Und auf dem Flughafen wurden die Kontrollen verdoppelt und verdreifacht“, sagt der ehemalige Afrika-Beauftragte der österreichischen Regierung, Georg Lennkh, zum KURIER. Der ehemalige Spitzendiplomat, der zum Zeitpunkt des Geiseldramas in Algerien war, ist soeben von dort zurückgekehrt.
„Schwer zu schützen“
„Die Sicherheitsbehörden arbeiten zwar mit Volldampf daran, einen Terrorakt in Algier zu verhindern, doch die Stadt mit ihren verwinkelten Gassen ist schwer zu schützen“, sagt Lennkh. Die Nervosität sei sehr groß. So groß, dass die „USA nur einen Schritt davor stehen, ihre Bürger auszufliegen. Und das will was heißen.“
Der Schock nach den blutigen Ereignissen in der Gas-Förderanlage an der algerisch-libyschen Grenze sitzt tief. Auch am Montag war das Ausmaß der Tragödie noch immer nicht in allen Details bekannt. Nachdem Islamisten dort in der Vorwoche Hunderte Geiseln genommen hatten, starben bei einer Befreiungsaktion durch algerische Spezialkräfte laut offiziellen Angaben mehr als 80 Menschen, darunter 37 ausländische Geiseln aus acht Ländern und 29 Kidnapper. Rund 700 Algeriern und mehr als 100 Ausländern gelang die Flucht. Auch ein 36-jähriger Niederösterreicher konnte entkommen und befindet sich in seiner Heimat. Einige Personen gelten weiter als vermisst.
Georg Lennkh, der an einer Festveranstaltung in Algier anlässlich der 50-jährigen Beziehungen des Landes zu Österreich teilgenommen hat, teilt die internationale Kritik an der Militäroperation: „Das war nicht sehr professionell, bei einem israelischen Kommando wäre das anders verlaufen.“
„Versagt“
Für die algerische Regierung sei das Ganze jedenfalls eine „riesige Schlappe“ – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Einerseits, weil der Sicherheitsapparat versagt habe: „Dass er die Gruppenbewegungen der Terroristen, die das Ding über Monate vorbereitet und sich dann an der mauretanisch-malischen Grenze gesammelt hatten, nicht erkannt hat, ist unverständlich. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass Algerien über 700.000 uniformierte Polizisten und 700.000 bis zu einer Million zivile Sicherheitskräfte verfügt“, so Lennkh. Auch die Kommunikationspolitik der Behörden nach Beginn der Geiselnahme sei „extrem schlecht“ gewesen.
Mali-Islamisten
Für den Ex-Diplomaten, der im Büro von Kanzler Bruno Kreisky für Außenpolitik zuständig war, gibt es eine klare Verbindung der Geiselnehmer zum Norden Malis: Dort haben seit dem Vorjahr Islamisten das Sagen und werden jetzt von Frankreich militärisch bekämpft. „Es gab ständig Kontakte in die nord-malische Stadt Gao, wo sich auch der Chef der Kidnapper-Gruppe, Mochtar Belmochtar, aufgehalten haben soll“, weiß Lennkh. Seine Analyse wird nun durch algerische Stellen bestätigt, wonach 32 Geiselnehmer aus Nord-Mali stammten.
Dort verzeichnen französische und afrikanische Truppen weitere Erfolge. Neuerlich brachten sie eine Stadt im Zentrum des Landes unter ihre Kontrolle und stoßen weiter Richtung Norden vor.
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