Albinismus in Afrika: Betroffene kämpft gegen Verfolgung und Aberglauben

Albinismus in Afrika: Betroffene kämpft gegen Verfolgung und Aberglauben
In einigen Ländern werden Menschen mit dem Gendefekt verstümmelt oder getötet, ihre Körperteile gelten als Wundermittel. Jane Waithera hat selbst Diskriminierung erlebt – und setzt sich nun dagegen ein.

Jane Waithera hat ein abgeschlossenes Studium, ist eine bekannte Aktivistin und sprudelt im Gespräch mit dem KURIER vor Energie und Selbstbewusstsein. Das war nicht immer so: In ihrer Kindheit in einem Dorf nördlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi lebte Jane zurückgezogen bei ihrer Großmutter, die sie lange für ihre Mutter hielt. Ihre tatsächliche Mutter, die bei der Geburt erst 17 Jahre gewesen war, hatte Jane verlassen. Von den Mitbürgern im Dorf wurde das ruhige Mädchen verspottet, in der Schule galt es als zurückgeblieben.

"Ich war anders"

Der Grund für all die Schikanen war Janes Aussehen. Sie hat helle, fast porzellanweiße Haut und blonde Haare. Ursache ist eine genetische Störung namens Albinismus, von der im Umfeld des Mädchens zunächst niemand etwas wusste.

Albinismus in Afrika: Betroffene kämpft gegen Verfolgung und Aberglauben

Jane Waithera

„Ich war anders, aber nicht in einem positiven Sinn“, erinnert sich die junge Frau, mit der der KURIER auf Einladung von "Licht für die Welt" sprach. „Die Kinder in der Schule haben mich gezwickt und absichtlich verletzt, um zu sehen, wie meine Haut reagiert und ob ich blute.“

Hilfe von den Lehrern gab es kaum, diese nannten sie dumm, weil sie für viele Aufgaben sehr lange brauchte, und bestraften sie für jeden Fehler. Irgendwann fürchtete sich Jane vor dem Schulbesuch, begann zu schwänzen und fiel dadurch noch weiter zurück. Dabei konnte sie einfach nicht lesen, was an der Tafel stand – von Albinismus betroffene Menschen sehen oft sehr schlecht.

Bei Albinismus handelt es sich um einen Gendefekt, beide Elternteile müssen diesen in sich tragen, um ihn weiterzugeben (sie müssen aber selbst nicht betroffen sein).

Der Defekt führt zu einer Störung der Melaninbildung. Betroffene haben dadurch nur wenig oder gar keine Farbpigmente in Haut und Haaren, weswegen sie sehr anfällig für Sonnenbrand und in weiterer Folge für Hautkrebs sind. Viele Menschen mit Albinismus sehen zudem sehr schlecht.

Weltweit kommt Albinismus mit einer Häufgkeit von etwa 1:20.000 vor. In Europa ist etwa einer von 17.000 Menschen betroffen, in Afrika südlich der Sahara ist es einer von 5.000. 

Die Wende kam, als Jane etwa neun Jahre alt war und ein Team einer lokalen Augenklinik in ihrem Dorf Station machte. Die Ärzte wussten über Albinismus Bescheid, klärten die Großmutter und die Lehrer auf und besorgten Jane eine Brille.

Klassenbeste

„Von da an änderte sich mein Leben“, erzählt Jane und in ihrer Stimme schwingt immer noch große Freude mit: "Die Brille war der Gamechanger."

Die Noten des Mädchens besserten sich schlagartig, bald war Jane die beste Schülerin der Klasse. Mit Unterstützung der Ärzte, die sie bis heute begleiten, kämpfte sie „für ihren Platz im Leben“, wie sie sagt. Sie schaffte es in die High School und begann eine Lehrerausbildung am College.

Tödliche Mythen

Dort traf Jane zum ersten Mal auf andere Menschen mit Albinismus, die wie sie Schlimmes erlebt hatten, und beschloss, sich aktiv für die Rechte der Minderheit einzusetzen. Ungefähr zur selben Zeit wurde durch Medienberichte weltweit bekannt, dass Menschen mit Albinismus in Afrika oft tödlicher Gefahr ausgesetzt sind.

Sie gelten vielerorts als verflucht und werden von ihren Eltern verstoßen. Haare, Knochen oder ganze Körperteile der hellhäutigen Menschen sollen Reichtum, Glück oder Gesundheit bringen, weshalb immer wieder Betroffene verschleppt, verstümmelt und getötet werden – sogar Kinder. Manche Wunderheiler behaupten, Sex mit Albinos heile HIV, weshalb Frauen vergewaltigt werden.

2019 entwickelten Menschenrechtsexperten der UNO und der Afrikanischen Union einen Fünfjahresplan, der das Leben von Menschen mit Albinismus verbessern und die Tötungen stoppen soll. Auch einzelne Länder wie Kenia haben sich des Themas angenommen. Durch die Corona-Krise hat sich das Problem aber erneut verschärft, Betroffene wurden zu Sündenböcken gestempelt.

Engagierter Einsatz

Viel Aufklärung sei nötig, um die Lage wirklich zu ändern, sagt Jane Waithera. Nach ihrem College-Abschluss engagierte sich die heutige Mitt-Dreißigerin zunächst für eine Blinden-NGO, bevor sie 2010 eine eigene Hilfsorganisation gründete: „Positive Exposure Kenya“ unterstützt u. a. von Albinismus betroffene Familien. „Das einzige, was Eltern wissen müssen, ist, dass ihrem Kind Melanin fehlt, es eine Brille braucht und lebenslang auf Sonnenschutz achten muss“, sagt Waithera.

Ihre NGO leistet auch Aufklärungsarbeit in Schulen und Spitälern – etwa durch eineHandy-App.

Seit 2020 arbeitet Waithera als Inklusionsberaterin für die Hilfsorganisation „Licht für die Welt“, um Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt zu unterstützen. „Wenn Menschen wirtschaftliche Macht haben, verändert das alles“, ist sie überzeugt. Dann brauchen Betroffene niemanden, der ihnen eine Brille kauft, wie sie selbst damals – sie kaufen sie einfach selbst.

Spenden an „Licht für die Welt“ sind herzlich erbeten. IBAN: AT92 2011 1000 0256 6001, BIC: GIBAATWWXXX Weitere Infos finden Sie hier.

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