AfD-Spitze um Chrupalla und Weidel wiedergewählt, Höcke will beraten
Mit Tino Chrupalla und Alice Weidel stehen jetzt zwei Politiker an der Spitze der AfD, die als ideologisch flexibel gelten. Dennoch muss man kein intimer Kenner der parteiinternen Machtspiele sein, um zu vermuten, dass auf dem Bundesparteitag im sächsischen Riese ein Duo gewählt wurde, das den Segen der einflussreichen Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke hat.
Die Ausgangslage war wie folgt: Aus dem Lager derjenigen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz für Rechtsextremisten hält, bewirbt sich niemand um den Parteivorsitz. Die sogenannten gemäßigten Kräfte in der AfD schicken ihrerseits zwei Gegenkandidaten ins Rennen. Es soll ein Kurswechsel werden. Weg von "sozial-patriotischen" Ideen, zurück zum "freiheitlich-konservativen" Kurs der Anfangsjahre.
Doch die Kandidaten der "Gemäßigten" bleiben am Ende erfolglos. Es sei denn, man wertet es bereits als Erfolg, dass der relativ unbekannte brandenburgische Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter, der gegen den amtierenden Vorsitzenden Chrupalla antritt, immerhin rund 36 Prozent der Stimmen holt. Damit sorgt er dafür, dass Chrupalla sein Ergebnis nicht verbessern kann.
Bei seiner ersten Wahl zum Vorsitzenden Ende 2019 hat der Malermeister aus Sachsen in einer Stichwahl 54,5 Prozent der Stimmen geholt. Diesmal kann er 53,4 Prozent der Delegierten überzeugen. Dieses relativ schwache Resultat mag auch damit zusammenhängen, dass die Ergebnisse der Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen für die AfD enttäuschend waren.
Weidel fährt besseres Ergebnis ein
Alice Weidel, die mit Chrupalla bereits die Bundestagsfraktion leitet und jetzt auch an der Parteispitze an seine Seite tritt, versucht, die trübe Stimmung zu vertreiben. Optimistisch ruft sie in den Saal: "Nicht jeder Nackenschlag ist ein Knock-Out."
Dass Weidel mit 67,3 Prozent der Stimmen ein deutlich besseres Ergebnis erzielt als Chrupalla, könnte man als Beleg für eine größere Akzeptanz deuten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie mit dem Europaabgeordneten Nicolaus Fest einen weniger bekannten Herausforderer hat als Chrupalla, der sich gegen seinen schlagfertigen Fraktionskollegen behaupten muss.
Stephan Brandner, der in Riesa als Partei-Vize im Amt bestätigt wird, sucht die Verantwortung für die Verluste bei den jüngsten Wahlen nicht bei Chrupalla. Er sagt, schlecht sei es erst gelaufen, als der im Jänner ausgeschiedene langjährige Vorsitzende Jörg Meuthen Anfang 2020 begonnen habe "durchzudrehen".
Wer sich in der Sachsenarena zu Wort meldet, aber selbst nicht kandidieren will, spricht in der Regel an einem von zwei im Saal platzierten Mikrofonen. Gleichzeitig steht es jedem, der den Drang dazu verspürt, frei, dies am Rednerpult auf dem Podium zu tun. Vor allem Höcke verspürt diesen Drang. "Guten Morgen Riesa", ruft er am Samstag in den Saal und genießt den Applaus, der ihm entgegenschlägt.
Auf die Frage, ob er manchmal darüber nachdenke, für die Parteispitze zu kandidieren, sagt er am Rande der Veranstaltung: "Vielleicht ist es in ein paar Jahren soweit. Bis dahin bin ich in Thüringen gut aufgehoben." Dass er auch von dort aus Einfluss ausüben kann, drückt er in dem Satz aus: "Im Bund möchte ich ganz gerne, wie ich das bisher auch gemacht habe, aus der zweiten Reihe beratend tätig sein."
Parteichef Höcke wäre "klares Indiz" für Rechtsextremismus
Beratend? Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) würde es wohl etwas anders formulieren. Der Deutschen Presse-Agentur sagte Behördenchef Thomas Haldenwang Anfang Mai: "Innerparteilich ist Björn Höcke als Landes- und Fraktionsvorsitzender der Thüringer AfD bereits qua Amt ein relevanter Akteur, der aber auch über die Landesgrenzen hinaus einen großen Einfluss innerhalb des vom BfV geführten Verdachtsfalles AfD hat und eine große mediale Reichweite besitzt." Zwei Wochen später führte er aus, ein Einzug Höckes in den Bundesvorstand wäre "ein klares Indiz dafür, dass sich die Partei weiter in Richtung Rechtsextremismus entwickelt".
Zumindest langfristig wäre auch ein alleiniger Parteichef Höcke nicht ausgeschlossen. Der Parteitag beschließt nämlich - auch auf sein Betreiben hin - dass die AfD künftig auch von einer Einzelspitze geführt werden kann.
Dass der Verfassungsschutz inzwischen die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft, hat der Partei nicht überall gleichermaßen geschadet. Im Osten verfängt vielerorts das von der AfD propagierte Narrativ, der Verfassungsschutz sei im Prinzip auch nicht viel anders als die DDR-Staatssicherheit. Das empfinden manche als eine steile These, die etliche Menschen vor den Kopf stößt, die einst von der Stasi bespitzelt wurden.
Die AfD hatte präventiv gegen die Verdachtsfall-Beobachtung geklagt. Das Kölner Verwaltungsgericht entschied - mit einer sehr umfangreichen Begründung - zugunsten des Verfassungsschutzes. Die AfD hat Berufung eingelegt.
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