8.500 Neuinfektionen: Belgien steht "kurz vor dem Tsunami"
Belgien zählt derzeit zu den am schwersten von der Corona-Pandemie getroffenen Ländern Europas. Dienstag vorige Woche wurden binnen 24 Stunden über 12.000 neue Fälle registriert. Aktuell werden fast 8.500 neue Fälle pro Tag gemeldet. In der Woche bis zum 16. Oktober registrierte das staatliche Gesundheitsinstitut Sciensano im Durchschnitt täglich 8.422 neue Ansteckungen. Das bedeutet ein Plus von 69 Prozent im Vergleich zur Woche davor.
Das Elf-Millionen-Einwohner-Land hat bereits die Reißleine gezogen: Am Montag trat eine nächtliche Ausgangssperre von Mitternacht bis 5.00 Uhr in Kraft. Ab 20:00 Uhr ist der Verkauf von Alkohol verboten. Landesweit müssen alle Cafes und Restaurants für mindestens vier Wochen schließen. Wer kann, soll im Homeoffice arbeiten. Bürger dürfen nur noch mit maximal einem Menschen außerhalb ihres Haushalts engen Kontakt ohne Maske haben. Die Maske? Die ist ohnehin Pflicht.
"Schützt euch und eure Nächsten"
Der neue Regierungschef gab seinen Landsleuten eine beinah schon resignativ-anmutende Botschaft mit auf den Weg: "Schützt euch und eure Nächsten." Denn: "Es ist schlimmer als am 18. März, als wir den totalen Lockdown verkündet haben", so Premier Alexander de Croo.
Vor allem in den Spitälern ist die Lage mittlerweile mehr als angespannt. Am Dienstag lagen 2.774 Patienten mit Covid-19 in den belgischen Kliniken, davon 446 auf Intensivstationen. Täglich kommen im Schnitt knapp 267 Patienten neu in die Klinik, 95 Prozent mehr als in den sieben Tagen vorher. Wenn die Infektionszahlen weiter steigen, müsse man andere medizinische Behandlungen einstellen.
Verglichen mit dem letzten Höhepunkt im März müssen dreimal so viele Intensivpatienten versorgt werden. Die Aussichten sind nicht rosig. Im Gegenteil: Die Lage "wird noch schlechter werden", so der Premier. Steigen die Infektionsraten weiter derart an, sind ab Mitte November mit hoher Sicherheit sämtliche Intensivbetten in Belgien belegt, rechnen Statistiker vor.
"Wir fallen um wie die Fliegen"
Und schon jetzt schrammt das medizinische Personal an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Am Montag legten Ärztinnen und Pfleger kurz die Arbeit nieder – aus Protest, dass seit der ersten Welle im März nicht auf ihre so oft vorgebrachten Forderungen eingegangen wurde: mehr medizinische Ausrüstung, mehr Personal.
Und so kommt, wie es kommen muss: "Wir fallen um wie die Fliegen", sagte eine der Organisatorinnen des Kurz-Streiks gegenüber dem Fernsehsender RTL. "Wir müssen weiterarbeiten, selbst wenn wir positiv sind und Fieber haben", so eine Krankenpflegerin. So würden dann weitere Patienten angesteckt – und zu Hause Familienangehörige.
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