27 Jahre nach der Einheit: Mehr Trennendes als Einendes?

Proteste beim "Tag der Deutschen Einheit" 2016 in Dresden.
In Deutschland feiert man heute die wiedergewonnene Einheit - nach dem Wahlergebnis stellt sich die Frage: Wie einig ist sich das Land überhaupt?

Die Mauer ist weg, aber tiefe Gräben sind geblieben. Seit 27 Jahren gehören Ost- und Westdeutschland wieder zusammen, das wird heute am "Tag der Deutschen Einheit" gefeiert. Doch seit dem Wahlergebnis vor einer Woche sind sich viele nicht mehr sicher, wie vereint man wirklich ist. Fast jeder fünfte Wahlberechtigte hat in den neuen Bundesländern für die AfD gestimmt, in Sachsen wurde sie stärkste Kraft. Von Rostock, Halle bis Chemnitz fühlt man sich nicht genug vertreten, ist enttäuscht oder wütend. Wie langsam Ost und West zusammenwachsen, zeigt sich auch anhand von Zahlen.

Wer im Osten lebt, verdient im Schnitt weniger, lebt länger, hat aber weniger Geld zur Verfügung. Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), warnte zude, vor neuen Strukturproblemen in Ostdeutschland. Regionale Unterschiede hätten sich durch Globalisierung und demografischen Wandel verschärft: "So liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Osten bei gerade einmal 73 Prozent des westdeutschen Vergleichswertes und die Produktivität in den Betrieben bei etwa 80 Prozent." Gleicke sprach sich für eine Regionalförderung auch nach dem Auslaufen des Solidaritätszuschlags 2019 aus. Sie zog eine positive Bilanz der wirtschaftlichen Entwicklung der Ost-Länder: Die Wirtschaftsleistung habe sich mehr als verdoppelt, die Arbeitslosigkeit sei gesunken. Dennoch liegt sie im Osten bei 7,1 und 5,1 Prozent im Westen. Dorthin pendeln jährlich 400.000 Ostdeutsche zur Arbeit. Umgekehrt sind es nur 158.000, die gen Osten fahren.

Ausgedünnte Landschaften, wenig Infrastruktur – die Gebietsreformen sorgen für besonders großen Frust. Seit den 1990ern werden Krankenhäuser, Polizei- und Gerichtsämter zusammengelegt. Manche fahren fast eine Stunde zum nächsten Bürgeramt. Dass Menschen dadurch den Kontakt zur Politik verlieren, verwundert nicht.

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