Ost-West-Gefälle in Deutschland: Merkel ortet strukturelle Probleme

Angela Merkel (hier beim EU-Treffen in Tallinn)
Was das starke Abschneiden der AfD im Osten betrifft, will die Kanzlerin aber nicht von "Ostdeutschen" und "Westdeutschen" sprechen.

Auch 27 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung gibt es nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West noch Einiges zu tun. Deutschland habe sein Ziel noch nicht erreicht, vollkommen gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen, sagte Merkel in ihrem am Samstag veröffentlichten wöchentlichen Video-Podcast.

"Ja, wir haben noch einige strukturelle Probleme", sagte sie. Zu den Problemen gehöre die unterschiedliche Vermögenssituation von Menschen in Ost und West, sagte die Kanzlerin. Auch die Steuerkraft der ostdeutschen Länder sei "dramatisch niedriger" als die des Westens - und zwar vor allem deshalb, weil sich die Zentralen fast aller großen Unternehmen noch immer in den alten Bundesländern befänden. Allerdings gebe es auch im Westen strukturschwache Regionen: "Da werden wir für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ganz andere Lösungen finden müssen."

Zum starken Abschneiden der rechtspopulistischen AfD bei der Bundestagswahl sagte Merkel, auch hier wolle sie nicht von "den Ostdeutschen" und "den Westdeutschen" sprechen. Es gebe in Teilen der westlichen Länder ebenfalls eine erstarkende AfD, sagte sie zum starken Abschneiden der Partei in einigen ostdeutschen Kommunen. Die Verlustängste und Sorgen der Menschen müssten ernst genommen werden, nötig sei hier ein "gesamtdeutscher" Ansatz.

Gleichwohl blickt die Kanzlerin nach eigenen Worten freudig auf die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am Dienstag. Auch heute sei es für Jung und Alt gleichermaßen wichtig, daran zu erinnern, dass Deutschland hiermit "einen sehr glücklichen Moment seiner Geschichte erlebt hat", sagte Merkel in ihrem Podcast.

Ost-Beauftragte warnt vor "Ossi-Bashing"

Die Ost-Beauftragte der deutschen Bundesregierung, Iris Gleicke, hat die künftige Koalition davor gewarnt, die Belange der neuen Länder zu vernachlässigen. Auch in der neuen Bundesregierung müsse es weiterhin eine starke Stimme für Ostdeutschland geben, die auf Unterschiede etwa bei Löhnen, Rente und Vermögen hinweise - und zwar nicht nur einmal im Jahr, sagte die SPD-Politikerin der dpa.

"Das ist nicht nur ein Thema für schöne Festreden am Einheitstag, sondern eine Aufgabe, die das ganze Jahr über auf der Tagesordnung steht,", so Gleicker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Nach dem Erstarken der rechtspopulistischen AfD vor allem in den neuen Ländern warnte Gleicke vor einem "Ossi-Bashing". Sie selbst habe seit Jahren vor rechtspopulistischen und rechtsextremen Tendenzen in den neuen Ländern gewarnt und sei die Letzte, die das herunterspielen wolle, sagte die aus Thüringen stammende Politikerin.

"Aber es gibt eine rechtspopulistische Tendenz in ganz Deutschland." Es könne nicht ausgeblendet werden, dass die AfD auch in den alten Ländern aus dem Stand deutlich zweistellige Ergebnisse geschafft habe: "Es geht jetzt darum, ernsthaft Aufarbeitung zu betreiben."

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