2000 Soldaten auf der Krim

2000 Soldaten auf der Krim
Die neue Führung der Ukraine beschuldigt Moskau und empört sich über die Verletzung seines Luftraumes.

Die Krise auf der Krim hat gestern eine neue, gefährliche Dimension erreicht: Auf einer Militärbasis nahe Simferopol sind nach Angaben der neuen ukrainischen Führung auf der Halbinsel Krim am Abend mehr als 2000 russische Soldaten gelandet. Der Kiewer Sondergesandte Sergej Kunizyn sprach am Freitagabend von einer "bewaffneten Invasion Russlands" – unter dem Deckmantel einer militärischen Übung. Der Luftraum wurde daraufhin geschlossen.

Zuvor hatten bereits Bewaffnete in einheitlichen Uniformen ohne Erkennungszeichen die Kontrolle über zwei Flughäfen übernommen. Damit stehen der bisherige Friede und die Zukunft der Krim an der Kippe. Parlament und Regierungsgebäude der Krim – eine autonome Republik im ukrainischen Staatsverband – sind von bewaffneten Männern besetzt, dazu jetzt auch die wichtigsten Flughäfen der Halbinsel. Am Freitag marschierten bewaffnete Zivilisten in den Flughafen Simferopols ein. Wenig später rückte dann auch noch ein Verband maskierter militärisch bewaffneter Männer in den Flughafen vor, errichtete Straßensperren um den Airport und begann mit Patrouillen. Zugleich wurde der Militärflughafen Belbek bei Sewastopol umstellt.

Bei den mysteriösen Verbänden handelt es sich um bestens ausgerüstete Soldaten in identischen militärischen Uniformen, die Sturmgewehre und schwere Maschinengewehre tragen und mit schweren Lkw gekommen waren – ohne Kennzeichen. Die Männer tragen keinerlei Identifikationsmerkmale. Sie sollen dieselben Uniformen tragen, wie jene, die sich am Vortag in Parlament und Regierungssitz verschanzt hatten.

Sondereinheiten

Andrej Parubij, vor wenigen Tagen noch Kommandant der "Selbstverteidigungskräfte" des Maidan in Kiew und heute Chef des Nationalen Sicherheitsrates, spricht von einer Invasion und davon, dass es sich bei den Bewaffneten um russische Sondereinheiten der auf der Krim stationierten Schwarzmeerflotte handle.

Die Schwarzmeerflotte dementierte. Laut Interfax handelt es sich bei den Bewaffneten um pro-russische "Selbstverteidigungskräfte".

Später warnte auch noch Ukraines Übergangspräsident Alexander Turtschinow: Er zog einen Vergleich zur russischen Intervention in Georgien im Jahr 2008 – die Moskau auch unter Berufung auf die russische Volksgruppe in der Region Abchasien gerechtfertigt hatte. "Erst provoziert man einen Konflikt, dann annektiert man das Gebiet", sagte Turtschinow. "Russland hat Truppen auf die Krim geschickt und nicht nur das Parlament und den Regierungssitz der Krim besetzt, sondern versucht auch, die Kommunikationsmittel unter Kontrolle zu bringen." Eindringlich appellierte er an Russlands Präsident Putin, die Provokationen zu stoppen und stattdessen zu verhandeln.

Das Parlament in Kiew reagierte hastig: Russland wurde aufgerufen, alle Handlungen zu unterlassen, die die territoriale Integrität der Ukraine gefährdeten, hieß es in einer Resolution der Obersten Rada. Zugleich wurde der UN-Weltsicherheitsrat aufgerufen, sich mit der Ukraine zu befassen. Dieser berief noch gestern eine Sondersitzung des Sicherheitsrates ein.

Und auch das besetzte Parlament auf der Krim berät weiter. Am Donnerstag hatte es den Beschluss gefasst, parallel mit den für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahlen eine Volksbefragung über die Zukunft der Autonomie der Krim abzuhalten.

Und am Freitag wurde im der Duma, dem Parlament, in Moskau ein Gesetz eingebracht, laut dem es Russland künftig leichter sein wird, ausländische Gebiete in die rus­sische Föderation aufzunehmen. Die Bedingung: Ein Referendum, in dem sich die Bevölkerung für einen Anschluss an Russland ausspricht.

Aus dem Kreml kamen unterdessen sanftere Töne. Präsident Wladimir Putin rief gestern dazu auf, eine weitere Eskalation der Krise in der Ukraine zu vermeiden. Er wies seine Regierung an, die Gespräche über Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit der Ukraine fortzusetzen.

USA warnen Moskau

Die USA aber beobachten die sich rasch aufbauende Krise auf der Krim mit Sorge und warnten den Kreml scharf: Eine militärische Intervention Russlands in der Ukraine wäre ein "schwerer Fehler", hieß es in Washingtons Außenministerium. "Die Souveränität der Ukraine muss gewahrt bleiben."

Lange war nicht klar, wie, wo und ob er überhaupt sprechen würde – um 14 Uhr in Rostow am Don in Süden Russlands ging es dann los: Viktor Janukowitsch, der per Haftbefehl wegen Massenmordes gesuchte einstige Präsident der Ukraine, trat vor die Presse.

"Die Zeit ist gekommen, um zu sagen, dass ich vorhabe, den Kampf um die Zukunft um die Uktraine aufzunehmen", begann er seine Rede. "Niemand hat mich abgesetzt – ich war gezwungen, die Ukraine zu verlassen. Für mein Leben und für das Leben meiner Angehörigen bestand unmittelbare Gefahr. Die Ukraine wurde von nationalistischen, pro-faschistischen Kräften an sich gerissen."

Weiter sprach er davon, dass ein Kompromiss zwischen ihm und der Opposition ausgehandelt worden wäre, die freie Wahlen, eine Verfassungsreform bis September 2014 vorgesehen hätte – jenes Papier, das Janukowitsch selbst gemeinsam mit den Außenministern Polens und Deutschlands unterschrieben hat. Dieses Szenario hätte eigentlich eintreten sollen - Schuld an dem jetzigen Dilemma trage die "verantwortungslose Politik des Westens", meinte er weiter. Ein nationales Referendum sei nötig, und das in nächster Zukunft.

Schelte für die "Maidan-Politik"

Janukowitsch, der vor vier aufgestellten ukrainischen Flaggen sprach, nannte die jetzige Lage in der Ukraine "gesetzlos": Die parlamentarischen Entscheidungen würden auf Einschüchterungen der Mandatare basieren, die Abgeordneten seien auf den Maidan gezerrt worden, um dort ihren Eid zu leisten – das sei alles andere als demokratisch. Es sollte die "Regierung nationaler Einheit" sein, die er selbst befürwortet hätte; aber nicht das jetzige Kabinett –"das sind Leute, die Gewalt propagieren."

Ob er sich für etwas schäme, wollte ein Journalist wissen: "Ja – ich möchte mich entschuldigen, für das was in der Ukraine passiert ist. Dafür, dass ich nicht genügend Kraft hatte, die Stabilität aufrecht zu erhalten." Und warum er geflohen sei? "Ich wurde angeschossen, von allen Seiten", sagte er. Ein Vertreter seiner Partei und ein Bürgerforums-Mitarbeiter seien bei ihm gewesen, so Janukowitsch – er war mit dem Auto von Kiew nach Charkow gefahren.

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