1989: Das Jahr, als der Ostblock abdankte
Eine Kurzmeldung schien heimischen Zeitungen damals ausführlich genug für die Routineoperation, die sich am 2. Mai 1989 an der ungarischen Grenze abspielte: Ein Abteilung ungarischer Grenzsoldaten begann mit der Demontage des Eisernen Vorhangs. Überraschen konnte das niemanden mehr.
Die Regierung in Budapest hatte schon im Herbst des Vorjahres deutlich gemacht, dass man nicht mehr gewillt sei, für andere „kommunistische Bruderländer“ den Grenzwächter zu spielen. Um die Bedeutung dieser Entwicklung zu unterstreichen und weltweit sichtbar zu machen, fand am 27. Juni ein Festakt statt: Außenminister Alois Mock schnitt mit Ungarns Premier Gyula Horn unter dem Blitzlichtgewitter von Fotografen einen Teil des Grenzzauns durch.
Gulaschkommunismus
Der ungarische Gulaschkommunismus war längst abgedriftet vom sozialistischen Weltbild. Man hielt die Bürger mit Reisefreiheit, Westwaren und einigermaßen guter Versorgung bei Laune und meinte sich so an der Macht halten zu können. Eine Strategie, die ebenso scheitern sollte wie die Inszenierung, die Erich Honecker in der DDR stur am Laufen hielt.
Da konnten die Donnerstagsdemonstranten in Leipzig ruhig „Wir sind das Volk“ rufen. Die Staatsspitze bereitete die Feiern für den 40. Jahrestag der DDR vor. Im Oktober 1989 wollte das Regime noch einmal marschieren lassen, doch da blutete die DDR längst aus – über die Grenze, die die Ungarn nicht mehr bewachen wollten.
Den ganzen Sommer nützten Tausende DDR-Bürger das offene Tor nach Österreich, um ihren Urlaub in Ungarn quasi auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Anstatt zu Honeckers Sozialismus heimzukehren, rollten sie in ihren Trabis in Richtung Westen.
Dass die Berliner Mauer und mit ihr die ganze DDR in diesem Jahr fallen sollte, damit hatte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs niemand gerechnet. Politbüromitglied Günter Schabowski wusste nicht so recht, was er tun sollte, als er am 9. November die Antwort auf die Frage nach Öffnung der Grenze gab, die Weltgeschichte schreiben sollte: „Das trifft nach meiner Kenntnis... ist das sofort, unverzüglich.“
Stunden später drängten Tausende freudestrahlend nach Westberlin. Von da an dauerte es nur noch Wochen, bis ein tschechischer Regimekritiker namens Vaclav Havel quasi direkt aus dem Gefängnis als Staatspräsident in der Prager Burg einzog.
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