Auf einen Schlag Sklave der Grundbedürfnisse

Auf einen Schlag Sklave der Grundbedürfnisse
Selbstversuch – 24 Stunden ohne Strom und Ausgang / Was in einem Durchschnittshaushalt alles fehlt.

Erst der lang gezogene Sirenenton, dann eine Radiodurchsage: „Wohnungen nicht verlassen, Fenster geschlossen halten.“ Der Strom fällt aus. Ein perfektes Szenario für einen 24-Stunden-Selbsttest. Immer mit dabei der Gedanke: Was, wenn es länger dauert?

Start 19 Uhr. Kaum heimgekehrt kippe ich den Strom-Hauptschalter nach unten. Und spüre – wie üblich – Hunger. Als ich den Kühlschrank aufmache, bleibt es drinnen finster. Die Tür möglichst selten öffnen, damit der Inhalt kühl bleibt. Nur schnell etwas Wurst und Käse raus.

Es dämmert, Taschenlampe her. Unpraktisch. Also Wechsel zur Stirnlampe, die bei der Outdoor-Ausrüstung liegt. Falls die Batterien ausgehen, muss eine offene Flamme her. Das klingt einfach: Viele Dekokerzen warten in einem Schrank auf den Einsatz. Zündhölzer liegen in der gewohnten Lade. Aber: Die Lichtleistung der dicken, oft dunkel gefärbten Kerzen ist erbärmlich. Besonders, wenn sich die Flamme ein Stück ins Wachs geschmolzen hat. Deshalb sind Kerzen in Leuchtern schlank.

Umsteigen auf Teelichter. Die wirken – auf einen weißen Teller gestellt – etwas besser. Wie lange die kleine Packung wohl halten wird? Immerhin ein romantisches Abendessen. Dazu ein Glas Wein. Richtig nett. Aber nur, bis ich Besteck, Teller und Gläser in den Geschirrspüler stelle: Der treue Helfer wird auslassen.

Wasser

Mit eingeschalteter Stirnlampe besuche ich das WC – entwürdigend. Mit dem Papier in der Hand überlege ich, wie viele Rollen der Vorrat umfasst. Ob die Schwerkraft das Wasser für die Spülung angeliefert wird, oder ob die Gemeindewasserversorgung eine – strombetriebene Pumpe – braucht. Der Spülkasten füllt sich wieder. Danke!

Bald wird es kühl. Die Gaszentralheizung tut keinen Mucks. Alternative: Feuer im Schwedenofen. Nur: Die größeren Mengen Brennholz liegen – derzeit unerreichbar – im Garten. Ich hätte sie doch in den Keller schlichten sollen.

Abendprogramm? TV wie PC fallen aus. Will aber wissen, was draußen los ist. Gab’s da nicht diese Kurbelradios für Entwicklungsländer? Gehört angeschafft. Aber ah, das Handy hat Radiofunktion. Solange der Akku mitmacht.

Licht

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Also ein Buch. Michael Korths „Auch das geht vorbei“ passt gut. Die Lichtverhältnisse bleiben trotz mehrerer Kerzen jämmerlich. Nahe zur Flamme rücken. Schnell gebe ich auf. Trotz mehrerer Positionswechsel finde ich keine bequeme Haltung.

Dann eher ab ins Bad. Noch spendet der Speicher ausreichend Warmwasser für eine Dusche. Wohl nicht mehr lange. Statt elektrischer Zahnbürste wird handgeputzt, die Munddusche fällt aus. Wenn das die Zahnärztin wüsste. Ab ins Bett. Den Gedanken, das Handy wie gewohnt zum Aufladen anzuschließen, schiebe ich weg.

Die Morgendämmerung weckt mich aus unruhigem Schlaf. Als ich frische Unterwäsche aus dem Schrank nehme, überlege ich, wie das Waschen ohne Strom funktionieren könnte. Kaffee lasse ich ausfallen. Das drückt auf die Stimmung. Immerhin: Die Temperatur im Kühlschrank passt noch einigermaßen. Nur die Butter fühlt sich weich an. Also Frühstück mit Fruchtsaft. Aufgespritzt mit Mineralwasser. Wie lang würde dieser Vorrat reichen? Besonders, wenn man damit auch Zähne putzt und Hände wäscht.

Hygiene

Der Vormittag wird mühsam ohne elektrische Begleiter. Sogar das sonst ungeliebte Geräusch des Staubsaugers fehlt. Dafür sammle ich Brösel unter dem Tisch mit Bartwisch und Schauferl ein. Als ich die in den Mistkübel kippe, merke ich, dass der längst ausgeleert gehörte. Ich will mir gar nicht vorstellen, was alles über eine Woche im Biokübel wachsen kann. Vielleicht hilft es, den Inhalt im kühlen Keller zu verwahren. Wie üblich bekomme ich vormittags Hunger. Die Aussichten trüben die Vorfreude: Esse ich Obst, landen Reste im Biokübel. Daher Wurstbrot, ohne Teller, sonst wird der Geschirrspüler noch voller.

Kochen

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Mittags kommt der Campingkocher doch noch zum Einsatz: Heiße Suppe für die Moral. Wie lange die Gaskartusche wohl hält? Wasser lässt sich noch kochen. Nudeln und ein paar Karottenstückchen werden auch weich. Mit dem Rest vom Brot eine passable Mahlzeit. Ein wenig Wasser erhitze ich noch, reinige sparsam Geschirr, Besteck. Trotzdem ist die Mineralwasserflasche schnell leer.

Mit Notfallplanungen und entsprechend trüben Gedanken vergeht der Nachmittag. Endlich: Kurz nach 19 Uhr. FI rauf. Sofort springt der Kühlschrank an. Ich stürze zur Espressomaschine, lege eine Kapsel Belohnungskaffee ein. Aber ein Gedanke geht nicht weg: Was, wenn es länger gedauert hätte?

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