Wald-Knigge: So benimmt man sich im Wohnzimmer der Tiere
Rechtlich betrachtet ist der Wald für alle da. Denn von ein paar Ausnahmen abgesehen darf in Österreich jeder zu Erholungszwecken die Wälder betreten – egal, wem sie gehören. Davon machen die Menschen gerade zu Corona-Zeiten, in denen die Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt sind, immer massiver Gebrauch.
Die Österreichischen Bundesforste, mit über einer halben Million Hektar der größte Waldbesitzer im Land, wollten es genau wissen und haben nachgeforscht: Jeden dritten Österreicher und jede dritte Österreicherin zieht es derzeit öfter als sonst in die Beschaulichkeit des Waldes. Ein „Kraftplatz“ seien die Wälder, sagen rund drei Viertel der Bevölkerung. Acht von zehn Österreichern glauben, sich während der Pandemie im Wald besser als anderswo entspannen zu können. Sieben von zehn Menschen sind überzeugt, das helfe ihnen beim Überstehen der Krise.
Also werden unsere Wälder derzeit gestürmt. Gerade jetzt, wo es wieder warm wird, kann das problematisch sein. Denn der Lebensraum Wald ist für viele Tiere so etwas wie ihr Wohnzimmer. Wenn Menschen das betreten, führt das zu erheblichem Stress für die Waldbewohner.
Selbst wenn wir die Tiere bei unseren Spaziergängen kaum zu Gesicht bekommen – sie sind da und nehmen uns wahr, lange bevor wir sie sehen.
Waldbewohner und ihre Besucher
Vor allem das Rot- und Schwarzwild fühlt sich im Frühjahr besonders schnell von Menschen irritiert. Denn in den kommenden Wochen und Monaten ziehen Rehe, Wildschweine, Füchse und so weiter ihre Jungen groß und können menschliche Störungen überhaupt nicht brauchen. „Wichtigstes Gebot ist es daher“, sagt Österreichs oberster Jäger, der Burgenländer Roman Leitner, „dass wir im Wald auf den Wegen bleiben“. Dann sei die Gefahr gering, Wildtiere mit ihrem Nachwuchs zu schrecken.
Und auch der sensible Waldboden, wo Millionen Kleinlebewesen wie Käfer, Insekten, Würmer oder Reptilien leben, die für das natürliche Zusammenspiel im Wald wichtig sind, bleibt dann unzertrampelt.
Die gute Nachricht: Selbst wenn es die Menschen so wie jetzt in Massen in die Wälder zieht – die halten das grundsätzlich ganz gut aus. Allerdings nur, wenn wir einige Regeln beachten (siehe rechts). Das Netz der markierten Wege und damit der uns Menschen zur Verfügung stehende Platz in Österreichs Wäldern ist riesig und bietet Raum für alle, die Erholung suchen. „Sich einfach korrekt benehmen, dann funktioniert das mit Mensch und Tier im Wald gut“, sagt Norbert Pintzgruber, der bei den Bundesforsten für nachhaltige Waldnutzung verantwortlich ist.
Ein Problem sind die Schwammerlsucher, die kaum auf markierten Wegen unterwegs sind, sowie die wachsende Zahl der Mountainbiker. Mit beiden Gruppen haben Waldbesitzer meist wenig Freude.
Schwammerlsuchen wird in der Regel toleriert, wenn es im Rahmen bleibt. Mehr Pilze sammeln als man selbst konsumieren kann, ist ohne eine Einwilligung des Waldbesitzers, dem die Schwammerln ja gehören, verboten. Und Radfahren im Wald ist ohne spezielle Erlaubnis sowieso tabu, ebenso wie Campieren und Reiten.
Noch ein Mensch-Tier-Problem gibt es im Wald: Wenn nicht der Mensch die Tiere in deren Wohnzimmer besucht, sondern umgekehrt. Mit der Rückkehr von Bär, Wolf und Luchs in unsere Wälder wird das ein Thema. Menschen im Wald stören die drei größten Räuber kaum, weil sie so extrem zurückgezogen leben. Aber sie stören mitunter uns – nämlich dann, wenn sie sich auf der Suche nach Nahrung menschlichen Behausungen nähern, also Gehöfte und Weiden besuchen. Doch das ist dann wieder eine eigene Geschichte.
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