Oskar Werners letzte Liebe oder: Der Teixl und sein Goldknöpferl
Ein Zerbrochener sei er gewesen. Fertig vom Alkohol und vom Leben. An den eigenen Ansprüchen gescheitert. Die letzten Lesungen, ein Desaster. Oskar Werners Ende, das Ende des Schauspielgenies, das nie eines sein wollte, stets unzufrieden mit sich selbst, mitunter noch mehr mit den anderen – von diesem Ende wird ebenso viel erzählt wie von seiner beispiellosen Karriere. Anekdotenhaft wird vom zum Wrack gewordenen Weltstar berichtet, von den letzten Projekten, bei denen der Applaus enden wollend, die Häme der Presse umso intensiver war. Denn ja, der Alkohol war ihm steter, unübersehbarer Begleiter geworden. Bei der Vorbereitung für eine Lesetournee durch Deutschland starb Oskar Werner am 23. Oktober 1984 in Marburg in einem Hotelzimmer an Herzversagen. Dass er einsam war, wird stets dazugesagt. Und doch hatte Oskar Werner in seinem letzten Lebensjahr noch große Pläne. Faust, Napoleon – und er wollte heiraten.
Susanne Benedek war 23, als sie den knapp über Sechzigjährigen 1983 kennenlernte. Bilder von damals zeigen ihn innig mit einer hübschen, dunkelhaarigen Frau. Schauspielerin. Sie ist auch Jahrzehnte später attraktiv. Sorgfältig geschminkt, die Kleidung Ton in Ton. Dunkelrot, perfekt zum dunklen Haar. So kommt sie zum Interview. Fotografiert will sie nicht werden, aber erzählen, was damals war. Jetzt, bald vierzig Jahre später. Warum? Susanne Benedek will etwas zurechtrücken. Das Bild vom versoffenen Genie. Natürlich hat er getrunken. Nicht zu knapp, das hat sie auch mit ihren 23 Jahren erkannt. „Aber er war nicht nur das. Er war auch ganz anders.“
„Hoffentlich g’winn ich“
Fotos, Gedichte, Notizen sind Zeugen dieser Pläne, der gemeinsamen Zeit. In sauberer Handschrift sind da Briefe an das „Goldknöpferl“ zu lesen, so hat er sie genannt, wie seine geliebte Großmutter, obwohl Susanne doch alles andere als blond gelockt war.
Warum er es mit dem Heiraten so eilig hatte? Vielleicht spürte er, dass er nicht mehr lange leben würde.
Am 2. Februar 1984 verfasst Oskar Werner ein Schreiben an die Regierungskanzlei in Vaduz, Liechtenstein, damals sein Hauptwohnsitz. „Sehr geehrte Herren, ich habe vor, mich wieder zu verehelichen.“ Man möge ihm seine Dokumente nach Wien schicken. Eine Kopie geht an Susanne, „damit du informiert bist“. Er fügt hinzu: „Ich leg die Karten auf den Tisch. Hoffentlich g’winn ich.“
Er gewinnt nicht. Das Goldknöpferl ist überfordert. Zum Termin beim Standesamt erscheint sie nicht. „Da steh ich nun, ich armer Tor“, schreibt er auf eine Urkunde. Das blaue Kostüm, das er ihr für die Hochzeit gekauft hat, verschenkt er an seine Sekretärin. Die Beziehung hält trotzdem. „Er hat mir dann immer wieder Gedichte geschrieben, ,sei behütet’ und solche Sachen. Ich war ja immer da. Aber dazwischen brauchte ich Pausen. Es war anstrengend mit ihm, er war manisch, brauchte ununterbrochen Aufmerksamkeit.“
Er sagte, sie habe ihn zu spät kennengelernt, er hatte ihr so viel zu erzählen. Sein Leben, seine Filme, Anekdoten. „Das war schön, aber auch kräfteraubend, er hat nie ein Ende gefunden, das ging bis in die Nacht.“
Sie habe viel Liebe bekommen, sich wohlgefühlt. Und er habe sich mit dem Trinken beherrscht. „Natürlich hab’ ich erlebt, dass er viel getrunken hat. Er war sicher nie ganz nüchtern, er hatte immer einen gewissen Pegel. Heute würde ich anders damit umgehen. Aber ich war sehr jung. Ich wusste nicht, was ich tun soll.“
Besonders schlimm war es einmal im Prater, in einer größeren Gruppe. „Er hat einiges getrunken. Er ist gestolpert und hingefallen und hat zu mir gesagt: ,Gell, jetzt genierst dich für mich.’ Und ja, ich hab mich geniert.“
Jahrzehntelang habe sie nicht über Oskar Werner reden wollen, aus Sorge, jemand unterstelle ihr, sie wolle sich wichtigmachen, erzählt Susanne Benedek. Interviews hat sie abgelehnt, aus Angst, jemand würde ihr vorwerfen, die eigene Karriere durch Oskar Werner vorantreiben zu wollen. „Ich wollte nie durch jemanden etwas sein.“
Jetzt, zum 100. Geburtstag, sei der Zeitpunkt gekommen, zu reden. „Ich will zeigen, dass er nicht nur der Besoffene war. Dass er Pläne hatte. Es tut mir weh, dass er so hingestellt wird.“
„Bussi vom Teixl“
Oskar Werner muss viele Gesichter gehabt haben. Er hasste Wien, doch zog es ihn immer wieder hier her, ins Landmann oder ins Café Schmid Hansl. Berühmt für seine nasale Sprechweise, hielt er nicht immer pathosfreie Brandreden über Kunst und ihren Verfall, über die Blödheit der heutigen Zeit. War er dazu aufgelegt, rezitierte er im Hawelka Goethes Tasso auf Jiddisch. Oder machte Hans Moser nach. Schrieb Blödelei-Gedichte, die er oft mit „Teixl“ unterschrieb, eine Verballhornung von „Teufel“ „Bussi vom Teixl – dein Fetzenschädel“ ist so ein typischer Werner-Gruß.
Er hätte besser vor ein paar hundert Jahren auf die Welt kommen sollen, sagte er einmal. Er brauche nicht mehr als Mozart, Goethe, Schiller. Und doch liebte er gesellige Runden, kochte für Freunde. „Er hat gern und viel gekocht. Gulasch. Pasta. Er wollte ungestört bleiben in der Küche. Manchmal ist es daneben gegangen, zu gut gewürzt, dann hat’s der Schani, der Hund gefressen.“
Bis zuletzt sei er voll Tatendrang gewesen. Wollte den Hamlet fürs Fernsehen machen und mit dem Antel ein Napoleon-Projekt. Sein Tod kam plötzlich für Susanne. „Kurz vorher hat er mich angerufen, es war Mitternacht, und er hat gesagt: ,Der Kartenverkauf war nicht gut. Wir sehen uns morgen.’“