Der Größte im letzten Winkerl

Schauspieler, Exzentriker, Lebemann: Oskar Werner.
Der Schauspieler wurde nachträglich verbrannt und musste in Liechtenstein ein letztes Mal umziehen.

Er wollte nie ein Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof, sondern eine Erinnerungsstätte in seiner zweiten Heimat Triesen im Fürstentum Liechtenstein. Dafür sorgte Oskar Werner bereits zu Lebzeiten, so steht es auch in seinem Testament. Aber den Platz für seine letzte Ruhestätte hat er sich doch wohl anders vorgestellt.

Der Größte im letzten Winkerl
Oscar Werners Grab
27 Jahre lag Oskar Werner, der bedeutendste österreichischeSchauspieler des 20. Jahrhunderts, in einem Grab inmitten des Friedhofs der Gemeinde. Ein Stein, so eigenwillig wie er selbst, markierte den Platz. Vor zwei Jahren wurde seine Totenruhe gestört, sein Grab aufgelassen. 1984 in einem Zinnsarg beerdigt, wurde Werner 2011 exhumiert, seine sterblichen Überreste wurden verbrannt. In der südwestlichsten Ecke, einem versteckten Winkel, ziert seitdem eine schlichte Tafel das kleine Urnengrab des Künstlers.

Urne mit Aussicht

Eine steile, enge Straße führt zur quadratischen Hallenkirche und dem angrenzenden Friedhof, der über der 4800 Seelen-Gemeinde im Südwesten von Liechtenstein liegt. Er bietet einen weiten Blick über die Rheinebene. Es ist ein wundervoller Herbsttag, als der KURIER die letzte Ruhestätte von Oskar Werner besucht. Die Sonne bahnt sich langsam den Weg über die Friedhofsmauer und hüllt die sehr gepflegten Gräber in ein angenehmes Licht. Zwei ältere Frauen zupfen Unkraut, pflanzen winterharte Blumen und unterhalten sich. Dort, wo vor einigen Jahren noch das Grab von Werner zu finden war, sieht man nur noch rechteckige Grasflächen, ohne Hinweis auf Oskar Werner.

Der Größte im letzten Winkerl
Oscar Werners Grab
Herr Gassner, grau meliert, schlank, Mitte 50, ist Gärtner und gerade im Einsatz. „Da hinten in der Ecke liegt Herr Werner“, verrät er. „Eigentlich schade, dass man ihn so versteckt.“ Bis vor zwei Jahren hat er das Grab gepflegt, „im Auftrag von einer Frau Krieger aus Heidelberg“, erinnert er sich. Doch irgendwann habe er die Frau nicht mehr erreicht. Tatsächlich gab es eine Verbindung Oskar Werner zu einer Malerin namens Margarethe Krieger. Mit ihr pflegte er über 30 Jahre eine Freundschaft. Sie starb 2010.

Aufgelassen

Bei der Verwaltung des Örtchens spricht man von einem „Ehrenplatz“, den Oskar Werner bekommen hat. „Nach 20, 25 Jahren werden Gräber bei uns aufgelassen. Da es sich bei Werner allerdings um eine bekannte Persönlichkeit handelte, durfte er bleiben und bekam dieses Plätzchen“, erklärt Peter Kindle, der Zuständige der Gemeinde. „An ein Überstellungsansuchen aus Österreich kann ich mich nicht erinnern. Aber da wir den letzten Wunsch eines Menschen immer respektieren, hätte es nichts geändert“, sagt er gleich dazu. Und verweist auf Mesner Martin Pfatschbacher, der Genaueres wisse.

„Als damals die Friedhofszelle aufgelöst wurde, wo Oskar Werner sein Grabmal hatte, kontaktierte die Gemeinde seine Hinterbliebenen und vereinbarte, dass er dieses Denkmal bekommt und damit in Triesen bleibt. Das war ja sein Wunsch“, sagt Pfatschbacher.

Felix Werner, Oskar Werners unehelicher Sohn, lebt in in Los Angeles. Er bestätigt: „Es war eine sehr nette Geste von der Verwaltung in Triesen. Somit konnte unser Vater auf dem Friedhof bleiben, auf dem er sein wollte.“

In Triesen bewohnte Oskar Werner viele Jahre lang ein Haus, das bis heute „Teixlburg“ genannt wird. Das steht für „Teufelsburg“. Beim Eingang stand: „Gewährt, daß ich ersuche, keine unangesagten Besuche.“ Besuche bekommt er weiterhin. Aber es ist nun schwer, ihn zu finden – vielleicht wollte er es so.

Ein Ehrengrab bekommen laut Verordnung „Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kunst, die zum Ansehen Wiens maßgeblich beigetragen haben“. Oskar Werner hat das zweifellos. Ein Ehrengrab hat er trotzdem nicht.

Als Schauspieler war er einer der wenigen Weltstars, die Österreich hervorgebracht hat. Oskar Josef Bschließmayer aus Wien-Gumpendorf (sein Künstlername „Werner“ war eine Hommage an sein Bühnenidol Werner Krauss) hinterließ seinen Handabdruck am Hollywood-Boulevard.

In Wien wollte er nicht verewigt sein. Er wollte kein Ehrengrab, er wollte in Triesen begraben sein, verfügte er in seinem Testament. „Berühmt sein in der Anonymität“, wie er an einen Freund schrieb. Über Wien wolle er „höchstens gelegentlich mit dem Fallschirm abspringen“, sagte er in einem Interview.

Oskar Werner war ein Charismatiker und wohl auch ein Schwieriger. Sein Credo: „Nur keinem Streit aus dem Weg gehen.“ Er brach den Vertrag mit Hollywood, ließ sich vom Burgtheater kündigen und lehnte unzählige Projekte ab. „Ich hab’ in den letzten Jahren so viele Filme abgelehnt, ich könnt mir Capri kaufen mit dem Geld.“

Wer ihm nahestand, wusste, wie er mit dem Schwierigen umzugehen hatte. Einer seiner wenigen Freunde, Herbert von Karajan, konnte das: „Ladet den Narren ein, aber es darf ihm kein Mensch dreinreden.“

Das berücksichtigt auch die Stadt Wien, die auf Nachfrage nun neuerlich betont, sie hätte Oskar Werner jederzeit ein Ehrengrab zur Verfügung gestellt, „sofern die Familie das wünscht. Bis jetzt hat sich jedoch noch niemand mit diesem Wunsch an die Stadt Wien gewandt.“

Werners Wunsch, nicht in Wien begraben zu sein, blieb berücksichtigt. Wahrscheinlich kam auch sein Tod am 23. Oktober 1984 so, wie er es sich vorgestellt hatte. Er starb im Schlaf in einem Hotel in Marburg am Neckar an einem Herzinfarkt. „Kurz und bündig“ hatte er sein Wunsch-Sterbeszenario beschrieben.

Die Wiener müssen nicht ganz auf eine in Stein gemeißelte Erinnerung verzichten. Wenige Häuserblocks von Werners Geburtshaus in der Gumpendorfer Marchettigasse heißt ein Straßeneck „Oskar-Werner-Platz“.

Das Unverwechselbare an ihm war seine Stimme, seine Art zu sprechen: Auch auf Englisch blieb er seinem wienerisch-nasalen Sprech-Singsang treu. Das Pathos war authentisch. Im Leben wie im Spiel war er gegen Kompromisse. Oskar Werner wurde am 13. November 1922 in Wien Gumpendorf, einem Teil von Mariahilf, als Oskar Josef Bschließmayer geboren. An seinem Geburtshaus (Marchettigasse 1 A) erinnert eine Gedenktafel an ihn. Der oft als schwierig und exzentrisch Beschriebene starb 1984 in einem Hotel in Deutschland.

Oskar Werner war ein Weltstar.

Er spielte in Filmen von François Truffaut („Fahrenheit 451“, „Jules et Jim“), an der Seite von Richard Burton („Der Spion, der aus der Kälte kam“) und er war der Böse im „Columbo“. Zu seinen berühmtesten Filmen zählten „In den Schuhen des Fischers“ und „Das Narrenschiff“. Schon als Bub wollte er Schauspieler werden, hatte schon während seiner Schulzeit Komparsenrollen und wurde, ohne Schauspielausbildung, am Burgtheater engagiert.1949 begann die internationale Karriere mit „Der Engel mit der Posaune“.

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