Hilfsorganisationen gegen Afghanistan-Abschiebungen

Demo "Keine Abschiebung nach Afghanisten" im Juni 2017 in München.
NGOs machen gegen Rückführungen nach Afghanistan mobil. Das Land sei keineswegs sicher, argumentieren sie.

„2016 hat es geheißen, bitte helft. Nun sehen wir zu, wie die Angst unsere Schützlinge auffrisst. Aber wir stehen auf.“ Es sind kämpferische Worte, die Erika Kudweis, Obfrau des Vereins „PatInnen für alle“, findet. Der Widerstand der Zivilgesellschaft gegen Abschiebungen nach Afghanistan wächst. Nun haben sieben NGOs, darunter Diakonie, Volkshilfe, Asylkoordination und SOS Mitmensch, eine Kampagne mit dem Titel #sichersein gestartet. 

Einzelne und Gemeinden sollen sich informieren und gegen Abschiebungen formieren. So werden Menschen aufgerufen, lokale Anti-Abschiebungsinitiativen zu gründen, Infotische zu veranstalten oder „Sanctuary Cities (Orte, wo Geflüchtete besonders geschützt werden) “ zu schaffen. Die Bürgermeister zu sensibilisieren oder ein Argumentationstraining gegen Stammtischparolen zu besuchen gehören ebenfalls zu den Tipps.

„Wir wollen keine Gesetze ändern, wir wollen nur, dass man sich an Gesetze hält“, erklärt Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Niemand dürfe in ein Land ausgeliefert werden, wo ihm der Tod drohe. Genau das passiere derzeit aber.

Der Geschäftsführer der Volkshilfe,  Erich Fenninger, fordert die Regierung auf, die Menschenrechte im Asylverfahren einzuhalten. Unterstützung gibt es von Ex-Fist-Lady Margit Fischer und Schauspieler Karl Markovics.

Hilfsorganisationen gegen Afghanistan-Abschiebungen

Während Länder wie die Schweiz und Frankreich nach Höchstgerichtsurteilen Abschiebungen nach Afghanistan aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage gestoppt haben, hob Dienstagnachmittag ein Charterflug von Wien-Schwechat ab. Mit an Bord: Der 20-jährige Ibrahim aus Innermanzing, der als Afghane der Volksgruppe der Hazara im Iran geboren wurde und keine Familienangehörige in Afghanistan hat. Die Regierung hat zuletzt die Rückführung von Afghanen forciert. Argumentiert wird, dass es sichere Landesteile, wie die Region um  Kabul gebe.

Dem widerspricht Friederike Stahlmann  vom  Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung. Die Expertin beschäftigt sich seit 2000 mit Afghanistan,  forschte selbst im Land. Sie ist für deutsche und britische Gerichte als Gutachterin tätig, zuletzt für das Verwaltungsgericht Wiesbaden. Die Menschen seien landesweit in Gefahr, sagt sie. Immerhin: Ein aktueller Beschluss des Verfassungsgerichtshofs bezog sich bereits auf ihr Gutachten.

Die Toten von Kabul Kabul, so Stahlmann, sei die Provinz mit den meisten Kriegsopfern. Rückkehrern drohe der Tod, da sie sich als Flüchtlinge auf die Seite der „Ungläubigen“ gestellt hätten. Dazu kämen Entführungen und Schuldensklaverei. „Sie haben zwei Optionen. So schnell wie möglich das Land wieder zu verlassen oder sich den Taliban anzuschließen.“ Laut UNO sind 2017 mehr als 10.000 Zivilisten getötet oder verletzt worden.

„Wir wenden uns ganz gezielt gegen das Geschäft mit der Verunsicherung“, richtete der Volkshilfe-Chef der Regierung aus. „Wir vernetzen uns, wir sind viele.“

Link: Sicher sein

„Wir hätten Leute, die arbeiten wollen“ 

Noch am Dienstag sollten abgelehnte Asylwerber aus Afghanistan zunächst nach  Ungarn gebracht und von dort aus in ihre Heimat abgeschoben werden. Unter ihnen sollte sich auch der 19-jährige Ehsan befinden, der  eine Maler-Lehre in Ried im Innkreis absolviert. Wenige Stunden vor dem Abflug wendete sich das Blatt: Der Verfassungsgerichtshof beschloss für die Ausweisung des 19-Jährigen und für seine beiden Brüder die „aufschiebende Wirkung“. Dafür habe man Montag und Dienstag noch „Gott und die Welt angerufen“, hieß es aus dem Büro von Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne).

Hilfsorganisationen gegen Afghanistan-Abschiebungen

Der 19-jährige Ehsan  (li.) will bei Michael Großbötzl Maler werden

Michael Großbötzl war angesichts der drohenden Abschiebung empört. Der Malermeister beschäftigt Ehsan im dritten Lehrjahr. „Mehr Integration und wirtschaftlichen Selbsterhaltungsdrang gibt es nicht“, sagt er über seinen Schützling. Großbötzl will hartnäckig bleiben. „Ich werde alles daran setzen, die Wirtschaft zu vernetzen. Wir haben einen Fachkräftemangel und da hätten wir Leute, die arbeiten wollen. Das geht so nicht.“

Seit Wochen schlagen drohende Abschiebungen von abgelehnten Asylwerbern in Lehre hohe Wellen, vor allem in OÖ. Betriebe fürchten wegen des Fachkräftemangels, dass sie Mitarbeiter verlieren. Einen Verbündeten hat  Großbötzl bereits gefunden: Die Braunauer Computerfirma Winfo Data ist zwar selbst nicht betroffen, will aber dennoch  vorerst nicht mehr ausbilden  – aus Solidarität mit jenen Firmen, deren Lehrlinge abgeschoben werden sollen.  „Wenn jemand eine Lehre beginnt und sich damit in der Gesellschaft einbringt, soll er eine Chance bekommen“, sagt Geschäftsführer Günter Winterstätter.

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