Wegen einer Filmpräsentation reist ein arrivierter Regisseur – das Alter Ego von Arcady – zurück nach Algier, wo er aufgewachsen ist. Er erinnert sich an schräge Vögel, liebenswerte Verwandte und ein fast idyllisches Miteinander der Religionen. In dieser nostalgischen wie sentimentalen Zeitreise ist die Kasbah von Algier ein Ort des Friedens. Hier entdeckt der Sohn eines ungarisch-stämmigen Fremdenlegionärs und einer Jüdin seine Liebe zum Kino, unterstützt von seiner arabisch-muslimischen Freundin. „Le petit blond de la Casbah“ sei, sagt Kaczek, „eine bittersüße Coming-of-Age-Geschichte“ und habe, aufgrund der vielen Rückblenden, eine raffinierte Film-im Film-Konstruktion.
„In Zeiten wachsender Uneinigkeit und Vorurteile ist es von größter Bedeutung, dass wir Film, Kunst und Kultur nutzen, um Dialoge zu fördern und Brücken der Verständigung zu bauen“, sagt Kaczek. „Das JFW verfolgt dieses Ziel und steht für Toleranz, Respekt und Empathie. Eine Gelegenheit, Barrieren abzubauen und im Kino einen Austausch zwischen Kulturen zu ermöglichen – auch dafür steht die Programmauswahl.“ Kaczek hat daher das von ihm 1991 gegründete JFW erneut – wie schon vor zehn Jahren – unter das Motto „Shalom Oida“ gestellt. Dieses Mal aber ergänzt um: „Gerade. Jetzt.“ oder „Hier. Überall.“
Dem „Grauen des 7. Oktobers“ und dem Krieg in Gaza ist natürlich ein Schwerpunkt gewidmet – mit Filmen wie „Supernova“, „Rock in The Red Zone“, „Listen“ oder „The Boy“. Dennoch wollen sich Kaczek und seine Kuratorinnen (Doris Kittler, Ruth Marion Rybarski sowie Avia Seeliger) mit insgesamt 41 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen konstruktiv und kritisch, mit Ernst oder Humor den unterschiedlichen Aspekten jüdischen Seins widmen. Als Europa-Premiere wird zum Beispiel „Under the Shadow of the Sun“ von Shalom Hager (2023) präsentiert: Nach 15 Jahren Gefängnis sucht der in Israel lebende Äthiopier Matko nach seinem verlorenen Sohn. Das einfühlsame Drama spielt am Rand der Großstadt, wo Gewalt und Armut herrschen, und durchquert verschiedene Milieus, ohne je anzuprangern.
Als Österreich-Premiere ist zudem „Home“ (2023) zu sehen: Benny Fredman wirft einen unbehaglich-drastischen Blick auf religiösen Extremismus, inspiriert von einem wahren Fall in einer ultraorthodoxen Enklave von Jerusalem.
Zivilcourage
Der Nationalsozialismus beziehungsweise die Shoa sind natürlich auch heuer wiederkehrende Themen: Neben „Lost Transport“ (2022) und „Shttl“ (2022) über das Leben in einem galizisch-jüdischen Dorf kurz vor der Nazi-Invasion 1941 wird „Irena’s Vow“ (2023) präsentiert: Louise Archambault erzählt die wahre Geschichte der katholischen Krankenschwester Irena Gut, die 1939 in Warschau als Haushälterin eines Nazi-Offiziers zwölf Juden versteckt. Für ihren Einsatz wurde Irena Gut Opdyke (1922 – 2003) von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.
Im Rahmen des Gedenkens „85 Jahre Kindertransport“ (die Rettung jüdischer Kinder nach Großbritannien 1939) organisiert das Festival in Kooperation mit dem Jewish Welcome Service die Premiere von „One Life“ (2023) über Nicolas Winton, der 669 Kinder vor dem Naziterror rettete. Offizieller Kinostart ist der 28. März.
Alle Infos und Termine: jfw.at
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