Deutchland: „Regeln können nicht durch Emotionen ersetzt werden“

Deutchland: „Regeln können nicht durch Emotionen ersetzt werden“
Hitzige Bundestagsdebatte über Migration und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen

Wer sich auf eine Debatte zu Zahlen und Etats der Ministerien freute, wurde von Alexander Gauland gleich am Anfang enttäuscht. Der AfD-Chef wollte bei der Haushaltsdebatte über sein Lieblingsthema sprechen: Flüchtlinge. Er warf der deutschen Kanzlerin Angela Merkel vor, die „friedlichen Demonstrationen“ in Chemnitz mit dem Begriff „Zusammenrottung“ gebrandmarkt zu haben. Und goss weiter Öl ins Feuer: „Die Wahrheit ist, in Chemnitz hat es keine Menschenjagden gegeben.“ Zur Erinnerung: Nach dem Tod eines Deutschen ist es in der sächsischen Stadt zu Angriffen auf Ausländer gekommen, wie Videos und Augenzeugenberichte von Journalisten belegen.

Über die Art und Weise wird seit Tagen gestritten. Zuerst äußerte Sachsens Landeschef Michael Kretschmer Zweifel an „Hetzjagden“, dann Innenminister Horst Seehofer. Dass sich Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen einmischte und Zweifel an einem Beweis-Video äußerte, brachte eine neue Dimension in den Streit. Er musste sich heute den Bundestagsgremien stellen.

Keine hilfreiche Debatte

Seine Aussagen zwangen dem Land eine Debatte auf, die aus Merkels Perspektive wenig zum Zusammenhalt der Gesellschaft beiträgt, wie sie mit Blick auf Maaßen erklärte: „Begriffliche Auseinandersetzungen, ob es jetzt Hetze oder Hetzjagd ist, helfen uns wirklich nicht weiter“, sagte sie unter dem Gemurre der AfD-Abgeordneten, das fast jede Merkel-Reden wie ein Hintergrundrauschen begleitet. Vielleicht würde die Kanzlerin solche Sätze auch gerne mal lautstark loswerden, aber das Schreien überließ sie gestern anderen.

Ex-SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz etwa geriet nach Gaulands Rede in Rage. So wütend hatte man ihn zuletzt im EU-Parlament erlebt, wo er einen griechischen Abgeordneten wegen rassistischer Äußerungen rauswarf. Gestern knöpfte er sich Gauland vor und warf ihm eine faschistische Strategie vor: Gauland reduziere komplexe Sachverhalte auf ein einziges Thema, bezogen auf die Minderheit der Migranten. Zu Gaulands Vogelschiss-Sager („Der Nationalsozialismus war nur ein Vogelschiss der Geschichte“) meinte er: „Die Menge von Vogelmist ist ein Misthaufen, und auf den gehören Sie, in der deutschen Geschichte“. Dafür gab’s Stand Ovations und viel Applaus aus den SPD-Reihen - und eine Kontermeldung von Gauland ("Nicht mein Niveau").

Bei so viel Knistern, wirkte die Rede der Kanzlerin wie eine kalte Dusche: Sie verstehe und teile die Empörung über den Tod eines Menschen, doch dies könne keine Entschuldigung für „menschenverachtende Demonstrationen“ sein. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, zitierte sie Artikel 1 des Grundgesetzes. In Deutschland gelten Regeln – „und diese Regeln können nicht durch Emotionen ersetzt werden. Das ist das Wesen des Rechtsstaats.“ Dann wurde sie noch grundsätzlich: Probleme werde man nur europäisch lösen können. „Wenn Europa sagt: Wir schotten uns ab, und wir kümmern uns nicht um das, was in unserer Nachbarschaft passiert, wird das schiefgehen“, sagte sie mit Blick auf die Migrationsbewegungen aus Afrika und dem Nahen Osten.

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