Aida Loos ist freudloos: „Ich habe Angst vorm Älterwerden“

Auf der Couch mit der (fiktiven) Ururenkelin von Sigmund Freud: Eine Kabarettistin lädt zur satirischen Therapiestunde: Heute geht es ums Altern - oder Jungbleibenwollen.
Von Aida Loos

Ach herrje, die Standardangst! Also gut. Das ist völlig normal und völlig sinnlos. Ich werde Sie jetzt auch ganz bestimmt nicht mit Standardsätzen wie „Das Alter ist doch nur eine Zahl“ trösten, weil es nicht stimmt. Das Alter ist keine Zahl. „Das Alter“ ist ein Wort. Erzählen Sie mir, wie alt wären Sie denn gerne? 25? Ich bitte Sie! Das ist genau die Zeit, in der wir glaubten, interessant zu sein, während wir lediglich jung waren. Als wäre Ihr jugendliches Erscheinungsbild der einzig bemerkenswerte Aspekt Ihrer Existenz.

Mit Verlaub, aber wenn das Verblassen Ihrer äußeren Hülle Ihre größte Sorge ist, dann war der Inhalt offenbar nie der Rede wert. Außerdem: Haben Sie sich schon mal die 25-Jährigen heutzutage angeschaut? Die schauen aus wie 15-Jährige mit Existenzangst. Das ist wie eine Kerze sein zu wollen, die schon als Wachs traurig war.

Ödipus versus Ödipups

Doch doch, ich nehme Sie sogar sehr ernst, aber Sie scheinen zu glauben, dass man sich gegen das Altern entscheiden könnte, wie gegen einen unvorteilhaften Kurzhaarschnitt oder Urlaub in Kärnten. Ich habe schlechte Nachrichten: Die Zeit, dieser ungnädige Bildhauer, vergeht, aber was soll sie auch sonst tun? Der Ödipus wird unweigerlich zum Ödipups.

Die wahre Perversion unserer Zeit ist nicht die Pornografie, es ist der Jugendwahn. Frauen über 40 verschwinden aus dem öffentlichen Bewusstsein schneller als Schnee in der Hölle, während Männer „distinguierter“ werden. Graue Haare bei Männern: sexy. Graue Haare bei Frauen: „Oh Gott, ist jemand gestorben oder warum schaut sie aus wie ein depressiver Dachs?“

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es „Anti-Aging“ heißt und nicht „Pro-Jugend“? Das sagt alles. Wir sind nicht für etwas, wir sind dagegen. Gegen das eigene Leben selbst. Was für ein erbärmlicher Kampf. 

Das Altern und seine Würde

Aber Sie wollen in Würde altern? Würde ist für jene, die nichts Besseres zu bieten haben. Die einzige Art, in Würde zu altern, ist, überhaupt zu altern. Sie denken trotzdem über Schönheits-OPs nach? Wollen Sie wirklich so aussehen, als hätten Sie eine schwere allergische Reaktion auf die Realität? Die Falten in Ihrem Gesicht sind nichts anderes als Ihre Autobiografie, in Haut graviert. Jede Lachfalte – ein anderer Mann, den sie nackt laufen gesehen haben. Jede Stirnfalte – ein Kind, das Theaterwissenschaft studieren wollte.

Falls Sie sich aber doch unters Messer legen sollten, dann bitte asymmetrisch. Lassen Sie eine Körperhälfte jung, die andere verfallen. So können Sie je nach Anlass und Publikum die passende Seite präsentieren. Bei Instagram die linke, beim Seniorenrabatt die rechte. Was ich Ihnen aber stattdessen rate? Die beste Therapie gegen Altersangst ist Alkohol. Nicht, weil er hilft, sondern weil Sie dann ein anderes Problem haben. Eines, das Sie lösen können. Alt werden können Sie nicht lösen, außer Sie sterben, aber das wäre eher ein extremer Themenwechsel.

Machen Sie sich älter

Sie trinken nicht? Gut, dann lügen Sie halt. Aber lügen Sie nach oben. Ich behaupte schon seit Jahren, ich bin 68 und alle sind zu Recht verblüfft. Das ist absurd? Dann sorgen Sie halt für schlechte Beleuchtung im ganzen Haus. Spart Strom. Spart Creme. So, das macht dann 200 Euro.

Aber bitte nur in bar, weil Kartenzahlung ist etwas für Menschen mit Zukunft. Nächste Woche? Gleiche Zeit, gleicher Verfall?

Die Autorin: Aida Loos ist ab Herbst wieder mit ihrem „Zeitloos“ auf Tour (z. B. 16. 10., Kulisse Wien).

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