E-Auto-Krise: Warum sich selbst Greenpeace für die Förderung von Autos einsetzt

E-Auto-Krise: Warum sich selbst Greenpeace für die Förderung von Autos einsetzt
Deutschlands Autokonzerne sind im Krisenmodus, zehntausende Jobs wackeln. Sind mehr Förderungen die Lösung?

Die Mobilitätswende ist komplexer als gedacht. Und die Krise in der deutschen Autoindustrie wirkt sich nicht nur auf die Wirtschaft - auch auf jene Österreichs - aus, sondern ruft auch Umweltschutzorganisationen auf den Plan. Angesichts der Krise hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) für heute Vertreter der Autobranche nach Berlin eingeladen. Er hat neue Fördermaßnahmen für Elektroautos in Aussicht gestellt, darunter steuerliche Anreize für E-Autos als Dienstwagen. Die bisherige Kaufprämie war wegen knapper Kassen 2023 ausgelaufen.

Warum Umweltschützer nun Autos fördern wollen

"Autoindustrie versenkt Klimaschutz" - dieser Spruch prangt bei Greenpeace zwar von Plakaten und der Homepage, aber nun spricht sich ausgerechnet die Umweltschutzorganisation für eine Förderpolitik von Autos aus. Konkret für E-Autos. 

"Statt einer ungerechten und ökologisch schädlichen Förderung von Dienstwagen sollte der deutsche Wirtschaftsminister eine Prämie für kleine, sparsame E-Autos bis maximal 30.000 Euro auflegen", teilte die Umweltschutzorganisation mit.

Diese solle mit einer Neuzulassungssteuer für schwere Verbrenner gegenfinanziert werden. So könne es gelingen, bis 2030 die angepeilten 15 Millionen E-Autos auf die Straßen zu bekommen. Gleichzeitig würden die europäischen Abgasgrenzwerte eingehalten.

Preis als Hemmschwelle, E-Autos zu kaufen

Mehrere sozial und ökologisch orientierte Verbände forderten eine "sozial gestaffelte Kaufprämie". "Der stagnierende Absatz von E-Autos gefährdet nicht nur die Klimaziele, sondern auch Arbeitsplätze in der Automobil- und Zuliefererindustrie", hieß es von der Klima-Allianz Deutschland.

Ein E-Auto kostet nach einer Studie des deutschen Branchenexperten Ferdinand Dudenhöffer gut ein Fünftel mehr als ein vergleichbarer Verbrenner. In der SPD-Bundestagsfraktion kursiert bereits ein Vorschlag für eine neue Prämie von bis zu 6.000 Euro.

Die deutsche Gewerkschaft IG Metall will ebenfalls ein Förderpaket für E- Autos. Nötig sei ein "schnelles, neues Förderpaket, das den Verkauf von E-Autos ankurbelt", sagte ein Sprecher der Gewerkschaft der "Bild am Sonntag". "Das würde den Herstellern und den Zulieferern, die schon Milliarden in die E-Mobilität investiert haben, helfen und so Arbeitsplätze sichern."

Kommt die industriepolitische Fitness-Spritze?

Die Gewerkschaft hofft zudem, dass ein solches Förderpaket den deutschen Herstellern "im Wettlauf mit außereuropäischen Herstellern neuen Schwung geben" würde. Der Sprecher sagte der Zeitung weiter: "Es wäre gleichzeitig ein Konjunkturprogramm wie auch eine industriepolitische Fitness-Spritze für den notwendigen Umbau der Automobilindustrie."

Angesichts der Autokrise werden in Deutschland auch Rufe nach einer Auto-Austauschprämie wieder lauter. Einem Vorschlag der Kanzlerpartei SPD zufolge soll es 6.000 Euro Bonus geben, wenn jemand einen Verbrenner zugunsten eines neuen EU-Autos abschafft. Beim Wechsel zu einem gebrauchten E-Auto soll es demnach 3.000 Euro als Bonus geben, heißt es laut der Illustrierten "stern" in einem Papier der SPD-Fraktion. Die oppositionelle Union sprach von einem absurden Vorschlag

Kurbelt eine Austauschprämie den Verkauf von E-Autos an?

"Wir sind davon überzeugt, dass E-Autos die Zukunft sind", schreiben die SPD-Abgeordneten vor einem Treffen der deutschen Bundesregierung mit Vertretern der Autobranche am Montag in Berlin. 

SPD_Vizefraktionschefin Verena Hubertz sagte: "VW und die Automobilbranche sind der Motor Deutschlands. Wenn der Motor stottert, müssen wir ihn in Gang bringen." In der Wirtschaftskrise 2009 hatte Deutschland schon einmal mit einer Prämie den Austausch von Autos gefördert. 2.500 Euro Umweltprämie erhielt, wer sein altes Auto verschrotten ließ und ein neues kaufte. Viele sprachen von einer "Abwrackprämie".

"Die damalige Abwrackprämie hat bei der Autonachfrage außer einem kurzen Strohfeuer nichts gebracht", kritisierte CDU/CSU-Fraktionsvize Ulrich Lange. "Dafür gab es aber Chaos bei der Abwicklung und Missbrauch." Angesichts der Festlegung auf E-Autos sprach sich Lange für Technologieoffenheit aus. Außerdem solle es finanzielle Entlastungen und Erleichterungen bei den europäischen Schadstoffgrenzwerten für Autos geben.

Zehntausende von Arbeitsplätzen wackeln

In diese Richtung zielt auch der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber. Er will drohende Strafzahlungen von Autoproduzenten bei den geplanten strengeren Flottenvorgaben beim CO2-Ausstoß aussetzen. "Wenn zehntausende von Arbeitsplätzen wackeln, dann ist keine Zeit für Bußgeldzahlungen", sagte der bayerische Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Der Chef der größten Fraktion im Europaparlament und CSU-Vize forderte zudem, alle EU-Vorgaben für die Automobilindustrie auf den Prüfstand zu stellen. "Wir brauchen eine Generalrevision aller Gesetze und Vorschriften für die Autoindustrie", sagte Weber. "Anders wird es uns nicht gelingen, diesen so wichtigen Industriezweig zukunftsfähig zu machen und Arbeitsplätze zu sichern."

Die EU will die sogenannten Flottenziele für den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) schrittweise verschärfen. Der aktuelle Wert von durchschnittlich 115,1 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer und Fahrzeug soll demnach 2025 auf 93,6 Gramm und im Jahr 2030 auf 49,5 Gramm sinken. Bei zu viel ausgestoßenen CO2 drohen den Herstellern Strafzahlungen. Die Branche fürchtet angesichts der gesunkenen Nachfrage nach Elektroautos zusätzliche Milliardenbelastungen. So hatte jüngst VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch gefordert, die CO2-Flottenziele zu lockern. Umweltschützer sind dagegen.

Verschiebt man Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr weiterhin in die Zukunft, würden bereits in den 2030er Jahren harte Einschnitte drohen, bis hin zu Fahrverboten. Dies behauptet eine Studie des NewClimate Institut im Auftrag von Greenpeace und Germanwatch. Die Studie vergleicht drei Szenarien hin zu einem ab 2045 klimaneutralen Verkehr, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten starten. 

  1. Im rückblickenden Szenario, in dem bereits 2021 Maßnahmen ergriffen worden wären (“Verpasste Chance”), hätte es gereicht, den CO2-Ausstoß zwischen 2030 und 2035 pro Jahr um 9,8 Millionen Tonnen zu senken. Es verbliebe genug CO2-Budget, um ab 2035 den Ausstoß bis 2045 relativ gleichmäßig zu senken.
  2. Im zweiten („Sofortiges Handeln“) sinken die Emissionen etwas schneller (10,3 Mio. t/Jahr). Die Zahl der dafür nötigen E-Auto-Neuzulassungen, die Autos mit Verbrennungsmotor ersetzen, steigt so auf 2 bis 2,5 Millionen pro Jahr. Zum Vergleich: Das entspricht etwa 70 bis 90 Prozent der Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2023.
  3. Im Szenario mit verspäteten, erst 2030 umgesetzten Maßnahmen, müssten die Emissionen fast doppelt so schnell sinken (18,2 Mio. t/Jahr). Dies würde eine unrealistisch hohe Zahl von jährlich 5 Millionen neu zugelassenen E-Autos erfordern, die ebenso viele Verbrenner ersetzen.

Kommentare