Zeitenwende in Grün

Reactions in Dusseldorf after elections in North Rhine-Westphalia
Drei Monate nach Putins Angriff findet Scholz nicht aus Deutschlands alter Rolle. Nur die Grünen haben ihren Weg gefunden.
Evelyn Peternel

Evelyn Peternel

Fünf Monate ist es her, da wurde Olaf Scholz als Kanzler angelobt. Aufbruch, Neuorientierung, frische Ideen statt alter Versprechen hieß es da. Die CDU, gedemütigt auf Platz zwei verwiesen, verordnete sich unter Friedrich Merz eine Generalüberholung.

Eingelöst haben beide Volksparteien kaum etwas davon. Scholz hadert mit seiner Rolle als Kanzler, gilt als Zauderer. Und Merz? Punktet viel zu selten, um als Oppositionschef wirklich zu glänzen. Seine Union wirkt so altbacken wie immer.

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen ist deshalb für beide eine Zäsur. Nicht nur der Verlierer muss sich einer Führungsdiskussion stellen, auch der Gewinner bleibt angezählt. Wirklicher Sieger – in NRW und im Bund – sind die Grünen: Seit Putin mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine eine politische Zeitenwende eingeläutet hat, punktet die lang als basisdemokratisch-unbeweglich verschriene Ökopartei wie selten zuvor. Scholz, der Merkels abwägenden Stil kopierte, wirkt wie gelähmt vom eigenen Zögern. Berlin sieht dadurch im Ringen um die Ukraine wie ein unbeteiligter Statist aus. Außenministerin Annalena Baerbock fragt derweil niemand, wieso sie als Vertreterin einer einst friedensbewegten Partei einen Stahlhelm trägt und lautstark nach der Lieferung deutscher Waffen ruft. Auch Robert Habeck wird nicht gleich aus dem Amt gejagt, wenn er die Deutschen auf Verzicht und dürre Jahre wegen Krieg und Krise einstellt.

Man muss die inhaltliche Richtung der Grünen nicht gutheißen. Aber ihre Art, ihre Politik zu begründen, ist zeitgemäß: Worthülsen, Symbolpolitik, leere Versprechungen haben in Zeiten, in denen Unsicherheit alle Lebensbereiche durchdringt, nichts zu suchen. Dafür ist der Krieg zu real, zu unmittelbar, zu tödlich.

Baerbock und Habeck kommt zupass, dass sie einen Politikertypus repräsentieren, der das starre West-Ost-Paradigma hinter sich gelassen hat. Sie haben das deutsche Selbstverständnis der Nachkriegszeit, ja nicht zu einflussreich und damit zu bedrohlich wahrgenommen zu werden, abgelegt. Auch die Sozialdemokratinnen Sanna Marin in Finnland und Magdalena Andersson in Schweden entsprechen diesem Typus – sie führen ihre Länder so zügig in die NATO, wie es niemand in Europa erwartet hätte.

Scholz’ Politik hingegen riecht nach „German Angst“. Nach der Furcht davor, sich zu sehr einzumischen, es sich mit jemandem zu verscherzen. Im Endeffekt verprellt Scholz so aber europäische Partner.

Das soll nicht heißen, dass Diplomatie und politische Vorsicht obsolet wären. Auch allzu scharfe Worte können schnell zur Waffe werden. Obsolet ist nur eines: Sich hinter leeren Phrasen zu verstecken, um die eigene Führungsschwäche zu verdecken – das spielt nur Putin in die Hände.

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