Wirrer als Wir

Wenn Gesundheitspolitik und Angstmacherei auf Provinzialismus treffen, ergibt das eine unangenehme Mischung
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Wir sind wieder Sommer, also kalendarisch, temperaturmäßig noch nicht ganz. Und da dieses Wir-Gefühl zuletzt stark gefördert wurde, obwohl es keine Fußball-EM gibt – WIR, die Corona-Fighter, WIR, die alles besser im Griff haben als die anderen – stellt sich für uns die Frage: Wo werden wir unseren Urlaub verbringen? In Österreich, wo es (unabhängig von den gebetsmühlenartigen Beteuerungen gewählter Repräsentanten) traumhaft schöne Regionen gibt? Oder doch in einem jener Länder, in die man seit der vor einigen Tagen erfolgten Öffnung der Grenzen wieder reisen darf?

Also wenn man den offiziellen Stellen brav folgt, stellen sich diese Fragen gar nicht. Jenseits der Grenzen ist es viel zu gefährlich. Das suggeriert auch die Homepage des Außenministeriums, die fast alle Staaten Europas mit einem „hohen Sicherheitsrisiko“ (Stufe 3 oder 4) oder sogar einer Reisewarnung versieht, während Österreich als einziges Land inmitten des gefährlichen Kontinents mit einem „guten Sicherheitsstandard“ eingestuft wird. Ob die aktuellen Infektionszahlen mit dem Coronavirus diese Neuordnung Europas belegen, muss man zumindest anzweifeln.

Nun ist es nachvollziehbar, dass die Regierung bemüht ist, heimische Tourismusbetriebe zu unterstützen und Österreicher zu Urlaub in Österreich zu motivieren. Aber das könnte man auch einfach so sagen und die Angstkiste versperrt lassen. Wer Angst hat, gibt nämlich nicht gern Geld aus, belebt also auch nicht die Wirtschaft, ganz egal in welchem Urlaubsland.

Außerdem ist diese Vorgangsweise inkonsequent: Wir freuen uns, wenn wieder mehr Menschen die AUA und damit den Flughafen Schwechat nutzen, wollen aber eigentlich nicht, dass sie wegfliegen. Wir freuen uns, wenn deutsche Gäste – ganz im „Piefke-Saga“-Stil – zu uns kommen, der Touristenstrom möge aber bitte nur in eine Richtung fließen. Das geht sich nicht aus.

Zuletzt hat die Arbeiterkammer betont, dass ein Urlaub im Ausland keine rechtlichen Konsequenzen für den Job hat. Die Regierung lädt dazu aber für kommende Woche noch zu einem runden Tisch – klare Aussagen weiter aufgeschoben.

Bei diesem Anlass könnte man dann auch darüber diskutieren, wo Grenzen eigentlich beginnen. Am Brenner? Am Walserberg? Oder vor der eigenen Haustüre?

Manche Gemeinden (Guntramsdorf, Wiener Neudorf) sperren im Sommer tatsächlich ihre Badeteiche für Gäste aus Nachbarorten. Das WIR ist also eine Frage der Definition. Manche sind WIRER (oder wirrer?) als WIR. Und es erinnert an den Brief der Ausseer Bürgermeister, wonach Zweitwohn-Sitzer in Corona-Zeiten nicht erwünscht seien.

Urlaub wie früher ist wunderbar. Wenn er nicht das Fremde exkludiert und als bedrohlich abstempelt.

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