Einen Termin für die Berufungsverhandlung gibt es freilich noch nicht. Auch Grassers Anwälte haben noch bis Anfang Jänner Zeit für ihre Einwände. Bis der Fall dann absehbarerweise beim Obersten Gerichtshof (OGH) landet, dürfte es mindestens 2024 werden.
Das wäre exakt 20 Jahre nach dem Verkauf der Bundeswohngesellschaft. Nur die Richterin wollte da partout keine überlange Verfahrensdauer erkennen.
Die Fakten zeigen: Von der Anklage im Juli 2016 (rechtskräftig im April 2017) vergingen eineinhalb Jahre bis zum Prozessbeginn im Dezember 2017. Und dann dauerte es noch einmal 168 Prozesstage bis zur Urteilsverkündung Ende 2020, wobei – fairerweise dazugesagt – auch die Corona-Pandemie für Verzögerungen sorgte.
Schaut man dieser Tage nach München und zum soeben gestarteten Wirecard-Prozess kommt man ins Staunen. Mahlen die Mühlen der deutschen Justiz so viel schneller? Ist der Justizapparat insgesamt effizienter aufgestellt?
Erst im Sommer 2020 implodierte der börsennotierte Milliardenkonzern. Trotz der seltsamen „Drittpartnergeschäfte“ von Wirecard, den dubiosen Zahlungsflüssen rund um den Globus und einem Geschäftsmodell, das kaum jemand verstanden hat, wurde die Anklage nur sechs Monate lang geprüft und im September zugelassen. Obwohl mit frühestens 2023 gerechnet wurde, startete der Prozess schon jetzt. Die Rede ist vom größten Betrugsprozess der deutschen Nachkriegsgeschichte mit einem Schaden von 3,1 Milliarden Euro – und nicht von den Buwog-Provisionen in Höhe von 9,6 Millionen.
Eine mögliche Erklärung lautet: Beim Wirecard-Prozess hat einer der drei Angeklagten den Kronzeugenstatus bekommen und dafür voll ausgepackt. Und obwohl der Prozess schon gestartet ist, laufen parallel dazu die Ermittlungen weiter.
Wer Kronzeuge hört, denkt hierzulande an Thomas Schmid. Der frühere Kabinettschef im Finanzministerium, spätere Chef der Staatsholding ÖBAG und das heute verstoßene türkise „Familienmitglied“ dient sich der Staatsanwaltschaft als Kronzeuge an. Ob Schmids Aussagen zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen können, muss sich erst zeigen. Derzeit hängt alles in einer Art U-Ausschuss-Dauerschleife. Man reibt sich die Augen: Schmids Chats, die den Stein ins Rollen brachten, fanden sich auf einem Handy, das die Staatsanwaltschaft im Zuge der Casinos-Affäre beschlagnahmt hatte – vor mehr als drei Jahren.
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